IV Bergbau als mitgiiederstärkste Gewerkschaft - nicht unter das saarländische
Tarifvertragsgesetz, sondern wurden weitgehend nach französischem Recht
behandelt. Die anfängliche französische Unterstützung für die Gewerkschafts¬
bewegung und die durchaus positiv aufgenommenen wirtschaftspolitischen Erfolge
wurden dadurch konterkariert. So war das Verhältnis zwischen Gewerkschaften
und Politik im Saarland schon bald von harten Auseinandersetzungen gezeichnet,
die nicht selten in Streikbewegungen mündeten.43
Wichtigste Grundlage des neuen Saarstaates war jedoch die saarländische Ver¬
fassung, die nach der Ratifizierung durch die Verfassunggebende Versammlung am
15. Dezember 1947 in Kraft trat. In weiten Teilen orientierte sich diese Verfassung
an dem Vorbild anderer deutscher Länderverfassungen, von denen sie - entgegen
den ursprünglichen Vorgaben aus Paris - etliche Artikel sogar wortgetreu über¬
nahm. Die Anfang 1947 von Gilbert Grandval berufene Verfassungskommission
schuf damit, trotz ihrer engen inhaltlichen Zusammenarbeit mit der - über einen
eigenen Verbindungsoffizier vertretenen - Besatzungsmacht, eine moderne und
anderen Bundesländern vergleichbare Verfassung, die im Wesentlichen bis heute
Bestand hat. Insbesondere die starke Stellung des Ministerpräsidenten sowie die
Anzahl und das Wahlverfahren der Landtagsabgeordneten widersprachen sogar
direkt den von Michel Debré als Saar-Referent im Außenministerium vorgebrach¬
ten Wünschen. Insbesondere in zwei Bereichen bot die Verfassung aber auch An¬
griffspunkte für die Gegner der saarländischen Teilautonomie. So wurde die auch
in der Bundesrepublik heftig umstrittene Frage nach der Notwendigkeit eines Ver¬
fassungsgerichtes im Saarland ablehnend beantwortet. Der statt dessen eingerichte¬
te Verfassungsausschuss des Parlamentes sollte nicht zuletzt bei der Auseinander¬
setzung über die politischen Freiheiten im Saarland und das Verbot der DPS zur
Zielscheibe von Kritikern werden. Vor allem aber gegen das in der Präambel der
Verfassung formulierte Bekenntnis zum wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich
wurde in der späteren Auseinandersetzung um den teilautonomen Saarstaat heftig
polemisiert. Für die Gegner der Teilautonomie galt dieser Passus als Ausdruck
direkter Fremdbestimmung von Seiten Frankreichs, als Resultat der vom MRS be¬
triebenen Einflussnahme und als Sinnbild eines - dem Mehrheitswillen der Bevöl¬
kerung widersprechenden - Separatismus der führenden saarländischen Politiker.
Obwohl diese Kritik dem engen Handlungsspielraum der Verfassungskommission
sicher nicht gerecht wurde und obwohl nennenswerter öffentlicher Widerstand
gegen diesen Passus zumindest anfänglich nicht erkennbar war, konnte die Verfas¬
sung in dieser Form kaum als das Ergebnis eines basisdemokratischen Ent¬
scheidungsprozesses gewertet werden. Zwar lag der vervielfältigte Verfassungstext
in allen Rathäusern aus, als in den Wahlen vom 5. Oktober 1947 über die Zusam¬
mensetzung der verfassungsgebenden Versammlung - und damit auch des späteren
43 Vgl. die Quellen Nr. 60 u. 80.
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