doch war weitgehend unklar, wie diese Eingliederung im Detail zu gestalten sein
würde. Konzeptionelle Vorarbeiten dafür lagen in den ersten Wochen nach dem
Referendum nicht vor. Auf der Fachebene innerhalb und teilweise auch in gemein¬
samer Arbeit zwischen den Ministerien wurde unmittelbar nach dem 23. Oktober
vor allem die Frage diskutiert, welche Rückwirkungen auf die Wirtschafts- und
Außenhandelspolitik von der Eingliederung zu erwarten seien. Auf Regierungs¬
ebene und in Zusammenarbeit mit dem Bundestag wurden Planspiele dazu ent¬
wickelt, in welcher Form das Saarland überhaupt eingegliedert werden solle und
wie dieser Prozess gestaltet werden könne. Aufmerksamkeit widmete man vor al¬
lem jenen Fragen, die vor dem Fiintergrund der sich abzeichnenden Verhandlungen
mit Frankreich als besonders strittig galten. Dabei wurden auch erste Verhand¬
lungspositionen skizziert - so zum Beispiel eine grundsätzliche Diskussionsbereit¬
schaft in der Frage der Moselkanalisierung. Im Vordergrund standen aber haupt¬
sächlich die Deeskalation des Konfliktes mit Frankreich und der Versuch, neue
Reibungs- und Zeitverluste auf internationaler Ebene nach Möglichkeit zu
verhindern.
Die von der Bundesregierung bei den Gesprächen in Luxemburg eingeschlagene
Verhandlungstaktik resultierte letztlich aus dem Zusammenspiel bisweilen sehr
unterschiedlicher Zielsetzungen und Strategien. Eine unmittelbare Beteiligung saar¬
ländischer Vertreter lehnte Bonn von Anfang an ab - nicht nur, weil Frankreich
sich eindeutig dagegen aussprach, sondern auch aufgrund eigener wirtschaftlicher
und politischer Interessen. Zudem wurde bereits in den ersten Verhandlungsrunden
deutlich, dass ein nicht abgestimmtes Auftreten gegenüber den Vertretern der Saar
die Kompetenzstreitigkeiten zwischen den beteiligten bundesdeutschen Ministerien
verstärken konnte. Insbesondere das Auswärtige Amt unter Heinrich von Brentano
versuchte - unter Verteidigung seiner federführenden Stellung die Einflussmög¬
lichkeiten der saarländischen Seite so weit als möglich zu beschneiden. Ein allzu
energisches Auftreten der Saar-Regierung könne, so lautete die unverhohlene Dro¬
hung, sofort mit dem Vorwurf eines neuen Separatismus delegitimiert werden.
Andererseits bestand ein Hauptziel der Bundesregierung darin, die neu gewählte
Landesregierung innenpolitisch zu stabilisieren. Daher wurde nach außen hin
großer Wert daraufgelegt, dass alle Maßnahmen und Äußerungen der bundesdeut¬
schen Verhandlungsdelegation eng mit den Vertretern der Saar abgestimmt waren.
Da über die rechtliche Abwicklung der Eingliederung bis Mitte 1956 keine Einig¬
keit bestand und die Notwendigkeit einer verfassungsändernden Mehrheit im saar¬
ländischen Landtag nicht ausgeschlossen werden konnte, schien eine allzu ein¬
seitige Anlehnung an die saarländische Heimatbund-Regierung jedoch ebenfalls
problematisch. So drängte man die Regierung Hubert Neys, insbesondere die
CVP nicht ganz vom Fortgang der Verhandlungen auszuschließen und die immer¬
hin noch drittstärkste politische Kraft im Saarland durch eine gezielte Informations¬
politik von einer prinzipiellen Ablehnung der Eingliederung abzuhalten.
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