man in der halboffiziellen Zusammenarbeit mit der saarländischen Landesregierung
eine Chance zur Durchsetzung - insbesondere wirtschaftlicher - bundesdeutscher
Interessen sah. Dabei hegte man anfangs sogar noch die Hoffnung, durch eine ent¬
sprechend vorsichtige Vorgehensweise Hoffmann „auf die deutsche Seite ziehen“
zu können.
Die innenpolitische Durchsetzung der Pariser Saar-Vereinbarung, die der Bun¬
deskanzler für sich persönlich zur obersten Priorität erklärt hatte, gestaltete sich
dementsprechend schwierig. Bereits die Zeitgenossen sahen den letztlichen Erfolg
Adenauers als Nachweis seiner besonderen taktischen Fähigkeiten an. Dabei wird
sein Vorgehen einmal als „machiavellistisches“ Taktieren, ein anderes mal als
politisches „Meisterstück“ bewertet. Tatsächlich ermöglichte vor allem eine Ver¬
schiebung der Prioritäten in der Saarpolitik diesen Erfolg. Adenauer distanzierte
sich scharf von der Regierung Hoffmann und erklärte deren Absetzung nach freien
Wahlen zum Kernpunkt des saarpolitischen Konzepts der Bundesrepublik. Gleich¬
zeitig betonte er den provisorischen Charakter, den das europäische Statut auch
nach seiner Annahme im Hinblick auf einen späteren Friedensvertrag haben würde,
und konnte damit zumindest seine Kritiker in der eigenen Partei und innerhalb der
Bundesregierung auf Distanz halten. So sollte sich selbst Jakob Kaiser nicht zu
einer förmlichen Ablehnung der Pariser Verträge durchringen.
In der Praxis trat die politische Widersprüchlichkeit der Saarpolitik jedoch deut¬
lich hervor. Jakob Kaisers Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen leistete den
Kritikern des Statuts im Saarland umfangreiche politische, finanzielle und logisti¬
sche Hilfe und verletzte damit die Pariser Verträge unter den Augen der Bundesre¬
gierung und der Öffentlichkeit.36 Der Bundeskanzler dagegen wiederholte mehrfach
seine Treue zu den Vertragsbestimmungen sowie zum europäischen Statut und
warb sowohl öffentlich als auch intern für dessen Annahme. In seiner großen Rede
vor dem Parteitag der CDU in Bochum formulierte Adenauer diesen Stand¬
punkt noch im September 1955 - um freilich gleichzeitig und in aller Deutlichkeit
die Ablösung der Regierung Hoffmann zu fordern.
In der öffentlichen Wahrnehmung konzentrierte sich die Diskussion über die
Ambivalenz der bundesdeutschen Saarpolitik sehr bald auf die Frage nach dem
„eigentlichen“ Willen des Kanzlers. Für beide Seiten der in den Abstimmungs¬
kampf involvierten saarländischen Parteien kam es darauf an, den Bundeskanzler
als wichtige Autoritätsperson für die eigene Position zu vereinnahmen. Galt sein
Bekenntnis zum Statut als ernstgemeinte Wahlempfehlung für die deutsch einge¬
stellten Saarländer? Oder war seine Zustimmung lediglich taktischen und außen¬
politischen Motiven geschuldet, während sein „eigentlicher“ Wille in den scharfen
Attacken gegen die Regierung Hoffmann und gegen den teilautonomen Saarstaat
zum Ausdruck kam? Schließlich ließ Adenauer seinen Bundesminister für Gesamt¬
36 Vgl. Quelle Nr. 82.
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