wurde. Auch der vertraglich vereinbarte Grundsatz, nach dem die Wirtschaft¬
sbeziehungen des Saarlandes zur Bundesrepublik denen zu Frankreich
gleichgestellt werden sollten, konnte als Erfolg deutscher Außenpolitik bezeichnet
werden. Akzeptieren musste Bonn allerdings, dass das Statut einem Referendum
unterworfen wurde. Angesichts der als sicher geltenden Zustimmung war dies ein
ungünstiges Verhandlungsergebnis, zumal in den Jahren zuvor von bundes¬
deutscher Seite - auch mit Blick nach Osten - alle Anstrengungen unternommen
worden waren, eine solche Volksabstimmung zu vermeiden. Einzig der vertraglich
vereinbarte Friedensvertragsvorbehalt konnte diesen bitteren Beigeschmack
dämpfen.
Die Ambivalenz des in Paris erzielten Verhandlungsergebnisses löste schon bei
den Zeitgenossen eine heftige Kontroverse über die Bewertung dieses Schritts auf
dem Weg zur Lösung der Saarfrage aus.35 Letztlich wurde dieser Teil der Pariser
Verträge nach einer leidenschaftlichen Debatte im Deutschen Bundestag nur mit
einer knappen Mehrheit von etwa 60 Stimmen angenommen. Der quer durch alle
Parteien verlaufende Widerstand konzentrierte sich dabei vor allem auf die Frage,
ob der Friedensvertragsvorbehalt im europäischen Statut nicht zu schwach veran¬
kert war. War es hier nicht aus Rücksichtnahme auf die Interessen Frankreichs zu
einem Tabubruch gekommen, der faktisch die Unverletzlichkeit der Grenzen
Deutschlands und das Wiedervereinigungsgebot als wichtigste Grundlagen bundes¬
deutscher Außenpolitik in Frage stellte?
Widerstand gegen die Saar-Vereinbarung kam aber auch von anderer Seite.
Saar-Spezialisten aus verschiedenen Parteien und Institutionen, die bereits in der
Vergangenheit eigene Initiativen ergriffen hatten und oft über gute Kontakte zu
oppositionellen Kräften an der Saar verfügten, befürchteten eine für sie inakzep¬
table Stärkung der Regierung von Johannes Hoffmann. Sie sprachen vor allem die
Fragen an, welche das Saar-Abkommen - vor allem im wirtschaftlichen Bereich -
offen gelassen hatte. Gleichzeitig erinnerten sie an ältere Konzepte und Lösungs¬
ansätze, mit denen den Saarländern möglicherweise ein Ausweg aus der alternativ-
losen Entscheidungssituation zwischen europäischem Statut und Rückfall in den
vorherigen politischen Zustand hätte eröffnet werden können.
Schließlich brachen aber auch Konflikte innerhalb der Bundesregierung auf. Das
von Jakob Kaiser geführte Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen war bereits seit
Jahren in der Saarfrage engagiert und beanspruchte dabei mit seiner strikt auf die
Wiedervereinigung und scharf gegen Hoffmann ausgerichteten Politik eine Füh¬
rungsrolle. Abgesehen von den Dauerkonflikten mit dem Bundeskanzler, die
spätestens nach den saarländischen Landtagswahlen von 1952 offen ausgebrochen
waren, stand Kaisers Ministerium damit in Konkurrenz zum Auswärtigen Amt.
Dort hatte man seit geraumer Zeit insofern einen konzilianteren Kurs verfolgt, als
° Vgl. die Quellen Nr. 86a, 86b u. 87.
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