umfasste, sah für die Saar ein europäisches Statut im Rahmen der Westeuropä¬
ischen Union vor. Demnach sollte ein europäischer Kommissar die außenpolitische
Vertretung übernehmen, während dem Saarland in den meisten innenpolitischen
Fragen weitgehende Autonomierechte zugestanden wurden. Außerdem sollte das
Statut einem Referendum unterworfen werden - eine Vereinbarung, die seitens der
Bundesrepublik zunächst auf heftige Widerstände stieß. Ferner wurde ausdrücklich
vereinbart, dass das Statut im Falle seiner Annahme bis zum Abschluss eines
Friedens Vertrags nicht mehr in Frage gestellt werden dürfe. Dagegen hatte die fran¬
zösische Verhandlungsdelegation von wichtigen wirtschaftspolitischen Zielen ab¬
rücken müssen. Besonders die Klausel, nach der „gleichartige Wirtschaftsbezie¬
hungen“ der Saar zu beiden Nachbarn anzustreben waren, stand in deutlichem
Widerspruch zur bisherigen französischen Politik. Allerdings sollten entsprechende
Vorbehalte dafür sorgen, dass die künftige Entwicklung der saarländischen Wirt¬
schaftsbeziehungen nur unter strenger französischer Aufsicht erfolgen konnte.
Obwohl die französische Stellung also grundsätzlich gewahrt blieb, schien sich
mit der Europäisierung der Saar eine mögliche Lösung des Konfliktes abzuzeich¬
nen. Diese Lösung war kennzeichnend für jenen neuen Anlauf der europäischen In¬
tegrationsbemühungen, der schon bald nach den Pariser Verträgen einsetzte und
1957 in den Römischen Verträgen über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
(EWG) mündete. Umgekehrt sollte die Ablehnung des europäischen Saar-Statuts
ein Jahr später ebenfalls charakteristisch für die allgemeine Situation werden. So
machte die politische Integration im Sinne des Ausbaus supranationaler Institu¬
tionen und Kompetenzen auf Jahre hinaus keine substantiellen Fortschritte mehr.
Vielmehr erfolgten die nächsten Integrationsetappen - wie seit dem Schuman-Plan
1950 erfolgreich praktiziert - auf einer funktionalen, ökonomischen Ebene. Ihren
Teilerfolg auf internationaler Ebene konnte die französische Politik im Saarland
selbst nicht nutzbar machen. Auch die Ablösung des immer umstritteneren - weil
französisches Dominanzstreben symbolisierenden - Gilbert Grandval als Botschaf¬
ter an der Saar durch Eric de Carbonnei wirkte kaum entlastend auf die französi¬
sche Position, die sich mittlerweile einer Vielzahl von gezielten Attacken der inner¬
saarländischen Opposition von DPS, CDU und Deutscher Sozialdemokratischer
Partei (DSP) ausgesetzt sah. Sowohl die Pariser Regierung als auch ihre
saarländische Vertretung hielten das im Zuge der Pariser Verträge gegebene Ver¬
sprechen, sich nicht in die saarländische Innenpolitik einzumischen, weitgehend
ein. Allerdings war es dadurch kaum noch möglich, bewusste oder unabsichtliche
Fehlinterpretationen der französischen Haltung richtig zu stellen.26 Auch eine
grundsätzliche Neuausrichtung der Saarpolitik fand nicht statt - obwohl immer
deutlicher wurde, dass das europäische Statut in der zur Abstimmung stehenden
Form kaum Chancen auf Zustimmung finden würde. Statt dessen beharrte man
26 Vgl. die Quellen Nr. 83 u. 84.
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