pflicht Grandvals unterworfen, der außerdem ein Eingriffsrecht in die Gestaltung
des Landeshaushaltes hatte und in Notfällen für die Aufrechterhaltung von
Sicherheit und Ordnung verantwortlich war.15
Zwischen A usbeutung und Wiederaufbau
Verfassung und Saarkonventionen wurden begleitet von einer Neustrukturierung
des Bergbaus als wichtigstem saarländischen Wirtschaftszweig. Die Entwicklung
der Kohlepolitik verdeutlicht beispielhaft den Perspektivwechsel in der franzö¬
sischen Deutschland- und Saarpolitik seit dem Kriegsende. Ursprünglich war die
französische Deutschlandpolitik in wirtschaftlicher Hinsicht ganz allgemein darauf
ausgerichtet, das deutsche Wirtschaftspotenzial für den Wiederaufbau der von
Krieg und Besatzung gezeichneten Heimat zu nutzen. Darauf zielten auch die
ersten praktischen Initiativen zur Ankurbelung der saarländischen Kohleproduk¬
tion, die seit 1944 konzipiert und gleich im Sommer 1945 - also noch amerikani¬
scher Militärverwaltung - umgesetzt wurden. Im spannungsreichen Verhältnis zwi¬
schen den Besatzungsmächten erhielt die Saarkohle aber bald eine neue
Bedeutung. So sollten schnelle Erfolge bei der Verwaltung der Saargruben helfen,
den französischen Einfluss auch an der Ruhr zu wahren und die Benachteiligung
der französischen Besatzungszone bei der Verteilung der Ruhrkohle auszugleichen.
Folglich wurden die Saargruben bei der Belieferung mit Rohstoffen und
Ausrüstungsgegenständen von der Besatzungsverwaltung stets bevorzugt, und die
Versorgung der Bergarbeiter mit Lebensmitteln genoss höchste Priorität. Ende
1947 wurde schließlich mit dem Dekret über die Organisation der Regie des Mines
eine neue Organisationsstruktur für den Bergbau geschaffen, die den Saarländer
selbst allerdings fast keine Mitspracherechte einräumte.
Im Kohlensektor erzielte die französische Besatzungsmacht durch diese Politik
binnen weniger Monate aufsehenerregende Erfolge.16 Die Kohlenproduktion lief
sehr viel rascher wieder an als in anderen deutschen Abbaugebieten, und die För¬
dermenge stieg ungleich schneller. Auch die saarländische Bevölkerung profitierte
von dieser positiven Entwicklung. Die Bevorzugung der Bergarbeiter bei der
Lebensmittelversorgung fand ihre Fortsetzung in einer großzügigen Lohnpolitik.
Einen eher unvorhergesehenen Aufschwung nahm dagegen die saarländische Stahl¬
industrie. Nachdem deren Werke zunächst unter französische oder luxemburgische
Sequesterverwaltung gestellt worden waren, gingen vor allem seit 1947 immer
mehr Hochöfen in Betrieb - obwohl sich die Kriegsschäden hier als besonders
schwerwiegend erwiesen. Hochkommissar Grandval, der auch in diesem Bereich
sehr früh eigenständige Ansätze entwickelte, erkannte schon bald den Nutzen diese
15 Vgl. Quelle Nr. 50.
16 Vgl. die Quellen Nr. 51, 52 u. 61.
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