3. Der schwierige Weg zum Bundesland
Nr. 86
Britische Einschätzung zum Ausgang des Referendums
Die beiden Telegramme des britischen Botschafters in Paris an das Foreign Office
vom 24. Oktober 1955 verdeutlichen die außenpolitischen Probleme und Unsicher¬
heiten, die die Ablehnung des europäischen Statuts für das Saarland hervorrief
Unmittelbar nach Bekanntwerden des Ergebnisses setzten intensive diplomatische
Konsultationen ein. Die offizielle Linie der deutschen Bundesregierung wurde
dabei nur zögerlich gegenüber der vor dem Referendum vertretenen Position
weiterentwickelt. Gegenüber dem britischen Staatssekretär im Foreign Office,
Caccia, betonte Staatssekretär Hallstein besonders die Frage der zukünftigen
saarländischen politischen Verhältnisse. Der Generalsekretär des französischen
Außenministeriums, Massig/i, schätzte die Auswirkungen des Referendums auf die
französische Politik als eher gering ein; er kündigte einen Briefwechsel zwischen
der bundesdeutschen und der französischen Regierung an, der mögliche Friktionen
im bilateralen Verhältnis von vornherein ausschließen werde. Der Rücktritt der
Regierung von Johannes Hoffmann war nach seiner Darstellung in Paris bereits
akzeptiert.1
1 Zur Entwicklung der Saarfrage nach dem Referendum bis zur Lösung der damit aufge¬
worfenen Probleme im Luxemburger Vertrag am 26. Oktober 1956, zur politischen Einglie¬
derung in die Bundesrepublik am 1. Januar 1957 und zur wirtschaftlich-währungspolitischen
Eingliederung am 5./6. Juli 1959 siehe umfassend Hahn, Strukturwandel, S. 31-113 (mit
umfangreichen weiteren Quellen- und Literaturhinweisen S. 414-475); Cahn, Le second
retour; Lappenküper, Beziehungen, Bd. 1, S. 1098- 1138; Schwarzer, Friedliche
Konfliktlösung; WiLKENS, Einleitung. Siehe auch die rückblickende Bilanz des Direktors der
Präsidialkanzlei 1948-1955, Franz SCHLEHOFER, 40 Jahre Saarabstimmung. Umfangreiche
Dokumentationen in: BDFD, Bd. 1, bes. S. 646 ff., und BDFD, Bd. 2, S. 261 ff.;
DDF 1955-1958; R. Schmidt, Saarpolitik, Bd. 3, S. 754 ff. Vgl. auch Quelle Nr. 82, Anm. 16.
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