2. Erfolge und Misserfolge teilautonomer Politik
Nr. 74
Über aktuelle Fragen des Arbeitsmarktes
Zu den das Alltagsleben prägenden Problemen der Nachkriegsjahre gehörte der
Übergang vom nationalsozialistischen Versuch einer Zentralverwaltungswirtschaft
zu einer auf demokratischen Grundsätzen auf bauenden Wirtschafts- und Betriebs¬
verfassung. In der Bundesrepublik wurde diese Diskussion ab 1947 unter dem
Begriff der ,,sozialen Marktwirtschaft“ geführt. Die Alliierten hatten zunächst die
meisten nationalsozialistischen Bestimmungen der Kriegswirtschaft weiterbestehen
lassen, um die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft und die eigenen Kontrollmöglich-
keiten zu sichern. Die Franzosen blieben hier aufgrund ihrer eigenen wirtschafts¬
politischen Grundsätze noch jahrelang restriktiver als Briten und Amerikaner. Das
Rundfunk-Interview mit Arbeitsminister Kirn illustriert am Beispiel der Arbeits-
verwaltung die Auseinandersetzung um das Ausmaß der Kontrolle der Wirtschafts¬
und Arbeitswelt. Die Landesregierung versuchte, die nicht zuletzt durch die Über¬
lastung des Arbeitskräftepotentials gewachsenen Anforderungen an die Arbeits¬
marktpolitik mit Instrumenten der Lenkung und Planung zu erfüllen, ohne jedoch in
den Dirigismus der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft zurückzufallen.'
Interview des Generaldirektors von Radio Saarbrücken
Gérard Losson mit Arbeitsminister Richard Kirn.
12.1.1949
Landesarchiv Saarbrücken, Stk., Nr. 3187.
Frage: Herr Minister, Sie haben in letzter Zeit wiederholt Fragen des Arbeits¬
marktes behandelt; ist das ein Zeichen wachsender Schwierigkeiten auf dem Ar¬
beitsmarkt oder beabsichtigen Sie damit, der Öffentlichkeit einen tieferen Einblick
in die Vorgänge auf dem Arbeitsmarkt zu geben?
Antw’ort: Es geht mir um die Gewinnung eines größeren Verständnisses für die
Aufgaben auf dem Arbeitsmarkt und der dafür geschaffenen Institution.
So wie die Pflege des Waren- oder Geldmarktes als eine Selbstverständlichkeit an¬
gesehen wird, so sollte man auch die Notwendigkeit der Beobachtung und Steue¬
rung auf dem Arbeitsmarkt anerkennen, zumal es hierbei um den Menschen geht.
' Zum Zusammenhang s. Heinen, Saarjahre, bes. S. 245 ff. u. 329 ff.
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