1. Die Saarfrage in der internationalen Politik
Nr. 1
Expertenmeinung zur Saarfrage: Abel Verdier
Die Denkschrift von Abel Verdier, 1935-1939 Konsul Frankreichs an der Saar,
spiegelt die personellen Kontinuitäten in der französischen Politik seit der Zwi¬
schenkriegszeit wider. Verdier wurde vom 27. April bis 30. Oktober 1945 erneut
Chef der Saar-Delegation des französischen Außenministeriums. Eine solche Sicht-
weise, hinsichtlich Frankreichs Chancen und Möglichkeiten von großem Opti¬
mismus geprägt, war in Teilen der französischen Öffentlichkeit und unter Verw>al¬
tungsexperten durchaus verbreitet - wenngleich der Autor sich mit dem Vermerk
indirekt, wenn auch vergeblich, selbst für den künftigen Gouverneursposten an der
Saar zu empfehlen versuchte und hier nicht für die Regierung sprach. Statt von
einer in der Öffentlichkeit vielfach fast selbstverständlich geforderten Annexion der
Saar ist hier aber von ,,Assimilation" die Rede: die Erfahrungen der Vergangen¬
heit ließen den Schluss zu, dass - eine angemessene Besatzungspolitik Frankreichs
vorausgesetzt - die Mehrheit der Saarländer sich ohnehin Frankreich zuwenden
werde. Die als bedeutend eingeschätzten ökonomischen und politischen Vorteile
ließen sich daher auch ohne eine einseitige Grenzkorrektur erreichen.1
Denkschrift des ehemaligen französischen Generalkonsuls
in Saarbrücken Abel Verdier zur Saarfrage.
1.11.1944
Archives du Ministère des Affaires Étrangères, Europe (1944-1960), Sarre 10.
La sécurité de la France et la question sarroise (Révision d’une note préparée en
avril 1940.)
L’objet de la présente note ne répond pas au dessein ambitieux d’apporter une
contribution à la réfection de la carte de l’Europe au lendemain d’une victoire qui,
malgré bien des vicissitudes, nous est toujours apparue comme finalement certaine.
11 est d’essayer de déterminer quelle doit être la position française dans la question
rhénane. Celle-ci revêt une importance primordiale non seulement parce qu’elle
1 Zum Zusammenhang s. D. HÜSER, Doppelte Deutschlandpolitik, S. 408 f; Pohlmann, Saar-
frage, S. 36 ff; HEINEN, Saarjahre, S. 50 f.
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