Scheppel. Elisabeth hat beispielsweise in den Text des ,Herpin4 eingegriffen, um die Stel¬
lung der ,Sibille‘ innerhalb des Zyklus zu sichern/' Auch Conrat Heyndörffer geht in sei¬
ner 1500 in Straßburg gedruckten Bearbeitung des ,Huge Scheppel4 von einem Zyklus der
Epen aus; deswegen zitierte er dort aus dem vorangehenden ,Loher und Maller4. Seit den
Untersuchungen Liepes wurde diese Reihenfolge nicht mehr bezweifelt, ihre Funktionali¬
tät wäre jedoch zu untersuchen.
Hans Joachim Kreutzer hat den von Joseph Görres geprägten Begriff des Volksbu¬
ches4, mit dem die Forschung die neu entstehenden Prosaromane des 15. wie 16. Jahr¬
hunderts bis dahin zu kategorisieren versuchte, kritisiert und neu definiert. s Jan-Dirk
Müller zeichnete in seinem Forschungsbericht die Gattungsdiskussionen nach und kon¬
kretisierte sie/ Der Glaube, dass sich in den Volksbüchern eine narrative Tradition vom
Volk für das Volk zeigte, war ein Irrglaube. „Die meisten Erzählungen, deren Ursprung
und Wirkungskreis man im ,Volk4 vermutete, waren gegen Ende des Mittelalters für eine
schmale, durch Stand und Bildung ausgezeichnete Schicht bei Hof, im Landadel und in
der Stadt entstanden.44'^' Denn vor Erfindung des Buchdrucks konnten nur Angehörige
vermögender Schichten volkssprachige Bücher in Auftrag geben. Zwar nahm die Volks¬
sprache in der schriftlichen Prosa mehr und mehr zu, doch zuerst eher in den für das Mit¬
telalter wichtigeren Bereichen wie Religion, Recht, Medizin und Chronistik. Die Adaptio¬
nen, die im direkten Umkreis Elisabeths oder gar von ihrer Hand entstanden, sind zu den
ersten Prosaromanen des deutschen Sprachraums zu zählen. In der Ausbreitung geschrie¬
bener, deutscher Sprache vermutete Müller den Grund der neuen Hinwendung zur Form
der Prosa. Auch durch die Einzellektüre, im Gegensatz zur vorher praktizierten Gemein¬
schaftslektüre, verlor der Reim als mnemotechnisches Hilfsmittel an Bedeutung. „So wur¬
de allmählich die Prosa zur Regel, der Vers zur auf wenige Gebrauchsformen oder auf be¬
sondere poetische Gattungen beschränkten Ausnahme: Nach einigen verstreuten Vorläu¬
fern setzte sich im 15. Jahrhundert der ,Prosaroman4 durch.“'sl
Zwei Arbeiten Ute von Blohs zum ,Herpin4 überprüfen die „Lust am Wunderbaren44
und die „Rationalisierung des Wunderbaren44, die den Prosaromanen eigen ist, und stellen
Erfahrungsneugier und dogmatische Lehrmeinung gegenüber. Wie in der Erzählung über¬
lebt in der französischen Vorlage der Protagonist Lewe seine ersten Tage im Wald nur auf
Grund einer Löwin, die ihn aufnimmt. Deswegen und zur Charakterisierung seiner Per¬
sönlichkeit erhält er den Namen Ijem (franz. Uon). Im Sinne der curiositas, der Neugierde,
sind die Tat und die Verzweiflung der Löwin, die über den Verlust ihres ,Sohnes’ klagt
und stirbt, „groß wunder44. Dennoch bleibt die Figur der Löwin in ihrer traditionellen
Symbolhaftigkeit der Tapferkeit verhaftet. In einer weiteren Untersuchung beschäftigte
sich Ute von Bloh mit dem Identitätswechsel durch Verkleidung sowie Maskierung und
der damit verbundenen Stellung in der Gesellschaft. Der Handlungsfreiraum und die
76 von Bloh 1990, S. 10; Müller 1993, S. 30.
77 HAUBRICHS 1991, S. 26, Anm. 42.
78 Kreutzer 1977.
79 MÜLLER 1985, S. 1-128.
80 MÜLLER 1990, S. 990.
81 Müller 1990, S. 990f.
17