Full text: Die Berliner Herpin-Handschrift in der Staatsbibliothek zu Berlin (Ms. Germ. Fol. 464)

der Landschaft erscheinen vorzugsweise die mit schnellen runden Federstrichen skizzier¬ 
ten Baumkronen, die auf dünnen Stämmen mit haarfeinen Ästen dargestellt sind, 00 die als 
Kugeln stilisierten Büsche und die Ösen bildenden Bäume. 111 Einigen Figurendarstellun¬ 
gen in der Handschrift dokumentieren den unmittelbaren Einfluss der Holzschnitte: Der 
thronende König Darius im ,Schatzbehalter£ weist die gleiche Körperhaltung auf wie der 
sizilianische König;02 die einzige Darstellung Gottvaters in der Handschrift ist mit der im 
,Schatzbehalter‘ ähnlich, besonders in der Haar- und Barttracht sowie in der Form der 
Bügelkrone und der Sphaira;03 bei der Ausformung von Innenräumen gleichen sich eng 
verwandte Konzeptionen an. 04 Hier wie in den Handschriftenminiaturen sind die Thron¬ 
rückwände mit gemusterten Brokatbehängen dekoriertund die Pferde sind mit dem 
wohlbekannten Zaumzeug und Schweifen wiedergegeben, die teilweise hoch gebunden 
sind. Die zu Boden gestürzten Reittiere sind in Variation sowohl in den Holzschnitten als 
auch in den Zeichnungen zu finden. n<’ Deckungsgleich sind auch die Löwendarstellungen 
insbesondere in den bärenähnlichen Ohren, der Mähne, der Beinstellung und der Aus- 
fromung der dreizehigen Pfoten. " Das Banner mit einem heraldischen Löwen mit Kro¬ 
ne, das im ,Schatzbehalter£ vorkommt, wandelte der Illustrator der Herpin-Miniaturen ab: 
Spiegelverkehrt und mit wehendem Bannerende (Abb. 57 und Abb. 11) oder ausschlie߬ 
lich der spiegelverkehrte Löwe (Abb. 86). Diese Hinweise sprechen dafür, dass der Zeich¬ 
ner der Herpin-Handschrift sich seinen Motivschatz und seine Kenntnisse in einer Nürn¬ 
berger Werkstatt noch vor Drucklegung der beiden Werke angeeignet hat, da diese einige 
Jahre später als die Handschrift publiziert wurden. 
Bei Wolgemut und seinen Werkstattmitarbeitern ist die Drapierung der Gewandfalten 
in gleichartiger Technik mit den beim Herpin-Meister bekannten graphischen Mitteln ge¬ 
staltet: Die in Ösen endenden Faltenlinien, die ungestalteten Faltenstege und die Vertie¬ 
fungen, die mit unterschiedlich intensiven Schraffuren, häufig Kreuzschraffen, gestaltet 
sind. Bereits in der Werkstatt Pleydenwurffs wurden die abgeschatteten Seiten und die 
Faltentäler mit verstärkten Konturlinien wiedergegeben; die Lichtpartien hingegen blieben 
71)0 Vgl. hierzu im ,Schatzbehalter‘ die Figur 6, 8, 15, 22, 38, 58 und im ,Herpin' die Abb. 39, 43, 54, 61, 65, 
66—68 und 82. Sowie BETH 1908, S. 273. 
701 Figur 40,16,15,21,29. 
702 ,Schatzbehalter‘, Figur 8 im ,Herpin' Abb. 14 (hier ist der Thronende spiegelverkehrt dargestellt) und 15. 
703 Die Zeichnung zeigt Gottvater als Halbfigur, der in einer Wolke am Himmel sichtbar ist (Abb. 36). Vgl. 
die Darstellungen Gottvaters im ,Schatzbehalter‘ Figur 9; 38 und 58 (ebenfalls als Halbfigur in einer 
Wolke). 
704 Vgl. hierzu die Kapelle im ,Herpin' (Abb. 70) mit dem Kirchenraum der Figur 20: Der Blick wird durch 
einen Bogen in das Innere gelenkt, das mit Kreuzrippen gewölbt ist und jeweils zwei Rundbogenfenster 
durchbrechen die Wände. Der Blick ist nach hinten in den angrenzenden Raum frei gegeben. 
705 Die Muster der Behänge sind unterschiedlich; im ,Herpin' sind durchgängig Granatapfelmuster verwen¬ 
det worden: ,Schatzbehalter‘ Figur 6 und 55 und im ,Herpin' Abb. 14L, 27 und 33. 
"°6 Im Gegensatz zum ,Schatzbehalter‘ liegt in der Handschrift (Abb. 17 und 67) der Pferdekopf auf den 
Vorderbeinen auf. Das am Boden liegende Pferd, dessen Nüstern auf dem Boden aufliegen, ist in abge¬ 
wandelter Körperhaltung in den Zeichnungen zum ,Herpin' wiedergegeben (Abb. 17). 
7(17 ,Schatzbehalter‘ Figur 66 und im ,Herpin' Abb. 4 und 6. 
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