Landesherrliches Rechnungswesen im Spätmittelalter
schung verschiedener Getreide- (Roggen- und Hafer, aber auch Gerste, Weizen
und Dinkel) oder Getränkearten (Wein und Bier). Die Rechnungsabnahme und
Kontrolle durch den Landesherrn oder seine Beauftragten, wie etwa den Lan¬
drentmeister oder die Räte, erfolgte nach förmlicher Ladung des Rechnungsführers
am Sitz des Amtsinhabers oder in anderen Burgen des Landesherrn. Vorzulegen
war die Rechnung mit Anlagen (quitancie, reces oder zetel), die mittels Kerbholz
und Rechenbrett kontrolliert wurden; letzteres war unabdingbar bei der Verwen¬
dung römischer Zahlzeichen und den umständlichen Umrechnungsverfahren zwi¬
schen Gold- und Silberwährungen aus verschiedenen Territorien1 Bei der Rech¬
nungslegung wurde die Rechnung in feierlicher, zeremonieller Weise vorgelesen
bzw. angehört, danach wurde oft der Rezeß (mit Datum und Namen des Entlaste¬
ten) im Rechnungsheft bzw. auf eingehefteten Zetteln oder Pergamenturkunden
vermerkt. Zu den präventiven Maßnahmen gegen Betrug gehörte die Verschriftli¬
chung der Rechnungslegung, die Verpflichtung zur Beifügung der oben genannten
Belege und ab Mitte des 15. Jahrhunderts die zunehmende Regulierung des Rech¬
nungswesens mittels landesherrlicher Verordnungen1305 1306. Eine solche Finanz- und
Dienstordnung wurde 1443 auch für die Kellerei Kirkel begonnen, blieb aber in
den Anfängen stecken, ohne daß die Gründe hierfür bislang bekannt sind1307. Auch
in diesem verwaltungs- und herrschaftsorganisatorischen Bereich sind neue Auf¬
schlüsse aus den Kirkeler Rechnungen zu erhoffen.
Bei seinen für den nordwestdeutschen Raum wegweisenden Forschungen stellt
Mersiowsky1308 fest, daß es durchaus Entwicklungsunterschiede im spätmittelalter¬
lichen Rechnungswesen gab; so konnten kleinere Territorien durchaus eine moder¬
nere Rechnungslegung mit übersichtlicherer Gliederung der einzelnen Rubriken
und Buchungen und mit Zwischensummen auf jeder Seite praktizieren. Ferner
konnte die Rechnungslegung innerhalb einer Landesherrschaft eine landschaftlich
unterschiedliche Ausprägung erfahren. Festzuhalten bleiben auch enge Verbindun¬
gen zwischen dem Organisationsgrad der Verwaltung und dem erhaltenen Schrift¬
gut. Somit können die Rechnungen als Gradmesser für die Entwicklung der lan¬
desherrlichen Verwaltung dienen und Hinweise auf Interdependenzen zwischen
1305 Auch für die historische Region des Westrichs hilfreich ist Frank Wagner, Die Wäh¬
rungen am nördlichen Oberrhein im 15. Jahrhundert, in: Mitteilungen des Historischen
Vereins der Pfalz 99 (2001), S. 105-144.
1306 Mersiowsky, Die Anfänge territorialer Rechnungslegung, S. 306-336.
1307 Frank Wagner, Die Finanz- und Dienstordnung für das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken-
Simmem und die Grafschaft Veldenz von 1443, in: Kaiserslauterer Jahrbuch für pfälzische
Geschichte und Volkskunde 2/3 (2002/2003), S. 21-130, hier S. 23 und S. 36, Edition S. 85-
87. Dazu Mersiowsky, Finanzverwaltung, S. 186: „Auch die vergleichende Analyse der
normativen Satzungen ist bisher nicht geleistet worden. Jede Darstellung kann beim derzei¬
tigen Stand der Forschung nur vorläufigen Charakter haben. Ähnlich wie fiir die Hoford¬
nungen, mit denen sich diese Dokumente durchaus überschneiden, ist der Forschungsstand
unbefriedigend“.
1308 Mersiowsky, Die Anfänge territorialer Rechnungslegung, S. 280-282.
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