Full text: Landesherrliche Finanzen und Finanzverwaltung im Spätmittelalter

Kommentar 
Gliedert man die überlieferten Territorialrechnungen mit Mersiowsky1'11' nach 
einem idealisierten Verwaltungsschema, so läßt sich feststellen, daß nur ganz we¬ 
nige Zentralrechnungen wie Hof- und Landrentmeistereirechnungen vorliegen. Ein 
Großteil des erhaltenen Materials ist der Lokalverwaltung zuzuordnen, die im 14. 
Jahrhundert eine Differenzierung der Aufgaben zwischen Amtmann und Keller, 
von Ausnahmen abgesehen, in der Regel noch nicht kannte. Davon zu separieren 
sind Zollrechnungen. Ein anderer territorialer Rcchnungstyp ist im Zusammenhang 
mit Fehde und Krieg entstanden; dazu gehören Kriegszugs-, Verlust- und Mann¬ 
schaftsberechnungen. Baurechnungen sind schließlich eine weitere Gruppe. In den 
Rechnungen des Kirkeler Kellers finden sich ganze Rubriken, die sich dem Bau¬ 
wesen zuordnen lassen, und vereinzelt auch militärische Betreffe. Bestandteil der 
Kirkeler Rechnungen ist ferner der pfalz-zweibrückische Geleitzoll an der Königs¬ 
straße, der in Limbach erhoben wurde. 
Ein Großteil spätmittelalterlicher Territorialrechnungen ist auf Burgen entstanden. 
Diese geben Auskunft über den Rechnungsführer und die Besatzung der Burg bzw. 
das Personal des Amtes und weisen somit die Burg als zentralen Ort für Herrschaft, 
Verwaltung, Personal, Wirtschaft und Kommunikation aus1'04. Außerdem enthal¬ 
ten die Rechnungen zahlreiche Informationen zu Fronarbeiten, Handwerkern und 
ihren verschiedenen Gewerken, Weinbau, Getreideanbau und -Verarbeitung, Tier¬ 
haltung, Fischzucht, Bau- und Reparaturarbeiten an der Burg und den herrschaftli¬ 
chen Weihern, Transportkosten, Tagelohn, Jahresgehältern, Besteuerung, Bewaff¬ 
nung, Wohnkomfort, Boten, Gästen und vielem anderen mehr. 
Wie entstanden die Rechnungen? Offensichtlich gab es chronologisch geordnete 
Vorlagen, aus denen nachträglich in die entsprechenden Sparten eingetragen wur¬ 
de; denn nur so können Buchungen mit demselben Datum an anderer Stelle in der 
Rechnung erklärt werden. Diese Vorlagen bestanden ihrerseits ebenfalls aus Pa¬ 
pierheften, mit Wachs beschichteten Holztafeln oder aus losen oder zusammenge¬ 
nähten Zettelsammlungen. Ein Hinweis auf solche Vorlagen ist in der Kirkeler 
Formulierung nach inhalt zinsbuchs zu erblicken. Die Korrektheit einer Rechnung 
konnte und kann oft nur stichprobenweise überprüft werden. Natürlich sind Betrug, 
Unterschlagung und andere Manipulationsmöglichkeiten denkbar, die schon in 
zeitgenössischen Quellen erwähnt werden. Dies wurde erleichtert durch die Vermi- 
1303 Mersiowsky, Die Anfänge territorialer Rechnungslegung, S. 277 f. 
1304 Marc Mersiowsky, Zentrale Funktionen der spätmittelalterlichen Burg im Spiegel von 
Rechnungen, in: Zentrale Funktionen der Burg (Veröffentlichungen der Deutschen Burgen¬ 
vereinigung, Reihe B: Schriften, Bd. 6), hg. von Barbara Schock-Werner, Braubach 2001, 
S. 13-24, hier S. 14, 16 und 18: Ders., Landesherrliche Bauausgaben im Spiegel der ältesten 
lippischen Rechnungen, in: Öffentliches Bauen in Mittelalter und früher Neuzeit. Abrech¬ 
nungen als Quellen für die Finanz-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Bauwesens, hg. 
von Ulf Dirlmeier, Rainer S. Elkar und Gerhard Fouquet (Sachüberlieferung und Ge¬ 
schichte, Bd. 9), St. Katharinen 1991, S. 116-171; siehe auch Claudia Feller, Item von erst 
han ich kawft 18 lerchen flecken - Bauausgaben für die Burg Rodenegg im 15. Jahrhundert, 
in: Burgen und Schlösser, Zeitschrift für Burgenforschung und Denkmalpflege 51 (2010), S. 
181-189. 
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