Full text: Arbeiterexistenzen und Arbeiterbewegung in den Hüttenstädten Neunkirchen, Saar und Düdelingen, Luxemburg (46)

sogar aut 7,3 Prozent an, woraufhin aber die Wahl des kommunistischen Spitzenkandi¬ 
daten angefochten wurde.6''3 Über die Gesetzesvorlage, die neben den Kommunisten 
wenigstens indirekt auch die APL und den BMIAV ins Visier nahm, wurde per Refe¬ 
rendum abgestimmt. Im Vorfeld der Abstimmung entfalteten sich öffentlichkeitswirk¬ 
same Kampagnen sowohl der Befürworter als auch der Gegner. In Düdelingen luden 
im Januar 1937 die Freien Gewerkschaften und die APL zu mehreren Informations- und 
Protestveranstaltungen ins Gewerkschaftsheim. Es sprachen zu diesen Anlässen unter 
anderem Nicolas Biever und Pierre Krier.653 654 Das Ergebnis des Referendums konnten die 
APL und der BMIAV, die nach anfänglicher Schaukelpolitik und Unentschlossenheit 
zur treibenden Kraft gegen die Vorlage wurden, als Erfolg verbuchen, stimmten doch 
30,7 Prozent der Wahlbeteiligten gegen das Gesetz.655 In Düdelingen wurden 6.015 gül¬ 
tige Stimmen abgegeben, davon 2.253 zu Gunsten der Gesetzesvorlage. Damit stimmten 
3.762 Personen, eine deutliche Mehrheit, gegen das Projekt.656 
Die kommunistische Partei spielte in Düdelingen nach wie vor keine Rolle, auch 
wenn der vor Ort arbeitende Lehrer Jean Kill ab 1930 Chefredakteur des Parteiorgans 
„Arbeiterstimme“ war.65 Unmittelbar nach dem Märzstreik versuchte die KPL durch¬ 
aus, in dem „Pfaffennest“ Düdelingen, wie einer ihrer Agitatoren formulierte,658 Mit¬ 
glieder zu werben. Ihr vollständiges Scheitern belegt aber geradezu sinnbildlich eine 
Agitationsversammlung am 22. August 1922. Die Versammlung war für 19 Uhr ange¬ 
setzt, aber zu diesem Zeitpunkt befanden sich überhaupt keine Zuhörer im Raum eines 
lokalen Schankwirts. Erst um 19.30 Uhr trafen mit dem aus Esch stammenden Redner 
50 Personen ein, darunter ganze drei aus Düdelingen. Diese bildeten bezeichnenderwei¬ 
se den Vorstand des kleinen kommunistischen Ortsverbandes.659 Die programmatischen 
Schwächen und die partielle Vergessenheit der politischen Realitäten offenbarte eine 
am 30. April 1921 vor 35 Zuhörern abgehaltene Versammlung. Hier forderte einer der 
Redner die Anwesenden zu verstärkter Werbearbeit auf, bis man „die Staatsgewalt [an 
653 Zu den antikommunistischen Maßnahmen der Dreißigerjahre vgl. Schaeffer 1961, S. 102-208. 
654 Vgl. Müller 1007, S. 48. 
655 Zur Kampagne gegen das Maulkorbgesetz vgl. Fayot 1979, S. 418-431; Calmes 1989, S. 492 f.; 
Schaeffer 1961, S. 209-212. Die Rolle der APL und des BMIAV in der Auseinandersetzung um das 
Ordnungsgesetz diskutiert intensiv Lentz 1992, S. 237-251. Der BMIAV war in dieser Phase auf eine 
Annäherung an den Staat bedacht und vermied daher ein allzu offensives Vorgehen, Man wollte das 
Maulkorbgesetz zunächst im Parlament bekämpfen. Erst, als das Referendum über die Gesetzesvorlage 
bewilligt wurde, profilierten sich BMIAV und APL deutlicher als Gegner des Projekts. 
656 Zum Ergebnis des Referendums in Düdelingen vgl. Müller 2007, S. 49. 
657 Vgl. Schaeffer 1961, S. 201. Jean Kill wurde 1934 seines Lehramtes als „notorischer Kommunist“ 
enthoben. Vgl. ebd., S. 203. Auch diese Maßnahme war im Kontext der oben angesprochenen antikom¬ 
munistischen Kampagne zu sehen. 
65!i So auf einer Versammlung der kommunistischen Partei am 8. April 1921. Siehe AnLux, J 76/2, 
S. 147 f., Zitat S. 147. 
659 Zu dieser Versammlung siehe ebd., S. 301. 
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