Distanz zu den Sozialisten bleiben wollten, auch nach Februar 1910 eine einflussreiche
Position einnahmen.
Auch wenn Henri Koch betont, die Beziehungen zwischen den einzelnen luxem¬
burgischen Syndikaten seien stets gut gewesen - „kein persönlicher noch prinzipieller
Gegensatz“ habe sie getrennt'29 - war die Trennung in verschiedene gewerkschaftliche
Flügel und Richtungsgewerkschaften doch klar vorgezeichnet. Dies bestätigte sich im
Anschluss an die Fusion beider Großverbände: Als direkte Reaktion auf die Vereinigung
darf die Implementierung der christlichen Gewerkschaft in Luxemburg-Stadt am 23. Ja¬
nuar 1921 gelten. Die katholisch geprägten Arbeiter und Arbeiterfunktionäre brachten
mit der Gegengründung ihren Dissens mit der nun klar sozialdemokratisch orientierten
Einheitsgewerkschaft zum Ausdruck. Aber auch innerhalb des BMIAV wirkten weiter¬
hin mehr oder weniger starke Fliehkräfte. Am 17. Juli 1921 konstituierte sich am linken
Flügel noch ein eigener Verband unter der Leitung kommunistischer Dissidenten. Zwar
blieb gerade letztgenannter quantitativ von minoritärer Bedeutung, aber Henri Koch
fasst die Entwicklung dennoch zutreffend zusammen: „Die Arbeiter waren [...] in drei
politische Richtungen aufgeteilt, nachdem sie einmal von der politischen und religiösen
Neutralität abgewichen waren V30
An Düdelingen ging die Spaltung aber aufgrund der Schwäche der Gegenorganisati¬
onen ohne größere Auswirkungen vorüber. Eine Sektion der christlichen Gewerkschaft
entstand erst am 1. Dezember 1926 mit gerade mal 50 Mitgliedern. Die späte Grün¬
dung dürfte damit Zusammenhängen, dass die Christlichen aus den Reihen des ehe¬
maligen BHAV wenigstens zunächst im neuen BMIAV verblieben, da in Düdelingen
die moderaten Traditionalisten weiterhin den Ton angaben. 1930 zählte die christliche
Gewerkschaft vor Ort aber immerhin 380 Anhänger, 1935 waren es 510 und am Ende
des Betrachtungszeitraums, 1940, 555.'*31 Die christliche Organisation blieb also, trotz
klarem Wachstum, hinter der freigewerkschaftlichen zurück. Keinerlei Rolle spielten in
Düdelingen die linkssozialistischen oder kommunistischen Organisationsformen. Wie
in Deutschland gründete sich in Luxemburg in den späteren Zwanzigerjahren eine kom¬
munistische Revolutionäre Gewerkschafisopposition (RGO). 1928 von einigen aus dem
BMIAV ausgeschlossenen Gewerkschaftern ins Leben gerufen, hinterließ die RGO in
Düdelingen keinerlei Spuren.429 432
Die Dominanz des BMIAV spiegelte sich in der Zusammensetzung der Arbeiter¬
delegation auf der Düdelinger Hütte wider: Jeweils aus 15 gewählten Mitgliedern be¬
stehend, waren nach der Wahl von 1927 ausschließlich Akteure des BMIAV vertreten.
429 Koch 1978, S. 307.
430 Zur Spaltung der luxemburgischen Gewerkschaftsbewegung in mehrere Richtungsgewerkschaffen
vgl. Koch 1978, S. 310 f. Zitat ebd., S. 32.1.
431 Zur Entwicklung der Düdelinger Sektion der Christlichen Gewerkschaft vgl. Geschichte der Arbei¬
terbewegung 1957, S. uz; Conrardy/Krantz 1991, S. 385.
432 Zur Gründung der RGO und ihrer (fehlenden) Präsenz in Düdelingen vgl. Conrardy/Krantz
1991. S. 385.
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