zusammengeschlossen. Den sozial gemischten Vereinen fehlte der emanzipatorische
Impetus der Arbeiterbewegungsvereine, generierten sie doch im kleinen Rahmen die
bestehenden gesellschaftlichen Machtverhältnisse: Der sozial gemischte Verein „bildete
[...] die in seiner lokalen Umwelt bestehende Hierarchie im Kleinen ab und stärkte sie
dadurch“.218 219 Das hierarchische Gefälle innerhalb der Vereine, das in diesem Sinne ein
Spiegelbild gesellschaftlicher Disparitäten war, barg durchaus auch Konfliktpotenzial
und konnte bisweilen auch zum Auseinanderfallen einzelner Vereine führen.2|l> Den¬
noch stellten diese Vereine zugleich ein attraktives Partizipationsangebot bereit und eli¬
minierten wenigstens dem Anschein nach eventuell bestehende Marginalisierungsten-
denzen: „Diese Vereine ermöglichten Arbeitern die Integration in die Gesellschaft des
lokalen Viertels [...].“22° Dadurch stellten - bei aller Unterschiedlichkeit der Ausrich¬
tung, Programmatik und Zielsetzung - diese sozial gemischten Vereine eine doppelte
Konkurrenz für die politische Arbeiterbewegung dar, indem sie die Arbeiter einerseits
mit der Gesellschaft zumindest ein Stück weit aussöhnten, andererseits organisatorische
Potenziale absorbierten.
Klaus Nathaus nennt vor allem „die Schützen-, Krieger-, Gesang- und Turnvereine,
die wegen ihrer Vielzahl, ihrer lokalen Präsenz, ihrer Bestandsfähigkeit und ihres Ver-
anstaltungs- und Festbetriebs für die Frage nach Vereinsgeselligkeit höchste Relevanz
besitzen“.221 Damit steckt er die Anatomie der zeitgenössischen Vereinslandschaft, wie
sie auch in Neunkirchen und Düdelingen vorzufinden war, grob ab: An beiden Orten
entstanden Freizeit-, Kultur-, Sport- und sonstige Vereine, die auch der Arbeiterbevölke¬
rung ein breites Partizipationsangebot bereit stellten. Dabei scheint das Vereinswesen in
Neunkirchen tiefere Wurzeln geschlagen zu haben, zumindest, wenn man die Uberliefe¬
rungslage zum Maßstab nimmt. Bereits Erwähnung fand das Vereinsverzeichnis in der
Chronik von Neunkirchen aus dem Jahr 1913. Im Vorwort mokieren sich die Chronisten,
die für die zentrumsnahe Neunkircher Zeitung schreibenden Gebrüder Jakob und Lud¬
wig Lehnen, ironisch über die um sich greifende „Vereinsmeierei“:
„Bis dahin müssen wir [die Vereinsmeierei] wachsen, blühen und gedeihen lassen. Glückli¬
cherweise gehört ja auch der Baum der Vereinsmeierei zu den Bäumen, die nicht in den Him¬
mel wachsen. Gilt doch von vielen Vereinsgebilden das weitere Wort der Bibel in passender
Abänderung: ,Der Verein, in Torheit gehören, lebt eine kurze Zeit und wird mit vielem Elend
218 Ebd., S. 50.
219 Dies arbeitet Christiane Eisenberg am Beispiel von Arbeiterbildungsvereinen im deutsch-engli¬
schen Vergleich heraus: „Die Beziehungen zwischen Bürgern und Arbeitern waren [...] von Dishar¬
monien und Konflikten geprägt.“ Vgl. Eisenberg, Christiane: Arbeiter, Bürger und der „bürgerliche
Verein“ 1820-1870. Deutschland und England im Vergleich, in: Коска, Jürgen (Hrsg.): Bürgertum
im 19. Jahrhundert. Deutschland im europäischen Vergleich, Band 2, Göttingen 1995, S. 187-219. Zitat
S. 211.
220 Nathaus 2010, S. 63.
221 Ebd., S. 43.
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