Teil C: Arbeiterbewegung: Determinanten
und Formen politischer Partizipation
Im dritten Teil der Arbeit steht die politische Dimension der Arbeitergeschichte im
Mittelpunkt des Interesses. Da der Erste Weltkrieg an beiden Orten eine scharfe Zä¬
sur markierte, dient er in der Darstellung als chronologischer Einschnitt. In Kapitel V
wird die weitgehend ausgebliebene Organisationsgeschichte vor 1914/18 reflektiert
und dabei, im Sinne einer integrativen Arbeitergeschichte, unter Rückgriff auf die vo¬
rangegangenen Kapitel nach den Gründen für den verspäteten Durchbruch von sozial¬
demokratischen Parteien und Gewerkschaften gefragt. Zudem soll nach alternativen
oder nicht-institutionalisierten Formen von Protest und Organisation gefragt werden.
In Kapitel VI ist dann zunächst nach den besonderen Umständen zu fragen, die der Ar¬
beiterbewegung an beiden Orten während Krieg und krisenhafter Nachkriegszeit zum
Durchbruch verhallen. Sodann wird die weitere Entwicklung im Betrachtungszeitraum
in ihren wichtigsten Aspekten diskutiert, wobei zum einen die allgemeinen Tendenzen
der Zwischenkriegszeit, zum anderen die jeweiligen lokalen Besonderheiten zu berück¬
sichtigen sind.
Die Organisationsgeschichte, mithin die organisatorische, personale und program¬
matische Entwicklung verschiedener Parteien, Gewerkschaften und Vorfeldorganisati¬
onen bildete lange Zeit das zentrale Paradigma der Arbeiterhistoriographie. Arbeiter¬
geschichte war demnach in erster Linie Arbeiter^ez^MW^geschichte.1 Dabei herrschte
(und herrscht) nicht selten Unklarheit darüber, was unter dem Terminus Arbeiterbe¬
wegung1 überhaupt zu verstehen ist.2 Die Forschungspraxis eilte einer theoretischen
Fundierung des Begriffs oftmals voran. Eine operationalisierbare und anschlussfähige
Begriffsbestimmung legte unter anderem Hans Mommsen vor: Als Arbeiterbewegung
könnten „die auf politische und soziale Emanzipation gerichteten Bestrebungen des Teils
der handarbeitenden Bevölkerung, der seit Durchsetzung der industriellen Revolution
vorwiegend in Industrie und Gewerbe abhängiger Lohnarbeit nachging“, bezeichnet
werden. Der Begriff Arbeiterbewegung umfasse so „die Gesamtheit der auf dem Prin¬
zip kollektiven Zusammenschlusses beruhenden Bemühungen der handarbeitenden
Schichten, ihre soziale Lage zu verbessern und sich politische Rechte zu erkämpfen“. So¬
dann nennt Mommsen drei (weltanschauliche) Richtungen, die der Definition genügen
und damit unter dem Sammelbegriff Arbeiterbewegung1 firmieren könnten. Neben der
dominanten sozialistischen Strömung bezieht Mommsen eine christlich-konfessionelle,
vor allem katholische, und eine bürgerlich-liberale Richtung in die Analyse ein/ Damit
1 Vgl. Schildt 1996, S. 65 f.
2 Eine kompakte Annäherung an den Begriff und das Phänomen leistet Brandt 2.002., bes. S. 10-15.
Vgl. Mommsen, Hans: Typologie der Arbeiterbewegung, in: Mommsen, Hans (Hrsg.): Arbeiter¬
bewegung und Nationale Frage. Ausgewählte Aufsätze (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft,
Bd. 34), Göttingen 1979, S. 2.21-259, passim. Zitate ebd., S. 221.
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