linger Werksleitung, ein Schreiben angefertigt, in dem es gleich zu Beginn heißt: „Auch
im Laufe des Geschäftsjahres 1917/18 bestanden die Schwierigkeiten zur Beschaffung
von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen für den täglichen Bedarf in erhöhtem
Maße fort, und wurde, da ein Kriegsende nicht abzusehen ist, nach Möglichkeit eine
Ergänzung der bestehenden Vorräte erstrebt.“ Sodann werden die Vorratsbestände auf¬
geführt, die an die Arbeiter verteilt wurden, darunter Fleisch, Obst, Gemüse, Kartoffeln
und Zucker. Außer den Lebensmitteln wurden auch Schuhe, Stiefel und Kleidungsstü¬
cke gelagert.62 Es geht aus dem Dokument allerdings nicht hervor, ob diese ganzen Wa¬
ren verbilligt abgesetzt oder gar kostenlos an die von der allgemeinen Krise besonders
hart betroffenen Arbeiter verteilt wurden. Im November und Dezember des gleichen
Jahres jedenfalls wurden die Arbeiter per Anschlag darüber in Kenntnis gesetzt, dass ein
ganzes Quantum Schuhe zum Verkauf stünde. Die Leder- und Holzschuhe wurden zu
verbilligten Preisen an den Mann gebracht.627 628
Das Neunkircher Eisenwerk blieb in seinen Anstrengungen zu dieser Zeit nicht hinter
Düdelingen zurück. So wurden die Preise der Kochanstalt angepasst und größere Men¬
gen an Kartoffeln, aber auch an Milch akquiriert.629 630 Zum zentralen Träger der Lebens¬
mittelversorgung im Krieg avancierte der Nationale Hüttenverein, der immer wieder die
Verteilung von Lebensmitteln anzeigte. So brachte der Verein größere Mengen an Erb¬
sen, Haferflocken, Graupen, Weizen- und Gerstenmehl, Runkelrüben, Bohnen, Wurst¬
waren, Eiern, Milch, Margarine, Speck und Handkäse in Umlauf. Die Waren wurden
verbilligt gegen Lebensmittelkarten ausgegeben. Der Bezug stand dabei wohl nicht allen
Hüttenarbeitern gleichermaßen zu, denn am 27. Februar 1917 wurde ein Rundschreiben
herausgegeben mit folgendem Wortlaut: „Wir haben bisher das uns zugewiesene Mehr
für die Feuer- ausser an diese, auch in kleineren Mengen an die Schwerarbeiter und ge¬
wöhnlichen Hüttenleute abgegeben. Dieser Modus scheint einigen Feuerarbeitern nicht
recht zu sein und beanspruchen dieselben das ganze ihnen zustehende Quantum / Bevor¬
zugte Adressaten waren wohl die Schwer-, Schwerst-, Ofen- oder Feuerarbeiter, wobei
diese Kategorien nicht näher spezifiziert wurden.6311 Auch wenn die Mitglieder der Gel¬
ben Gewerkschaft nicht allein berechtigt zum Bezug der Lebensmittel waren, so dürften
sie doch privilegierte Zugriffsrechte genossen haben. Der werkstreue Verein war somit
gerade in dieser Krisenzeit als Mittel vorgesehen, die Arbeiter zu domestizieren und an
den Betrieb zu binden. Im gleichen Kontext wie die Verteilung von Sachwaren ist die
Zahlung von Teuerungszulagen in der Krisenzeit zu sehen.631
lungsmerkmal der hier betrachteten Werke, wie Vera Steinborn am Beispiel der Gutehoffnungshütte zu
Oberhausen demonstriert. Vgl. Steinborn 2011, S. 51.
627 AnLux, ADU-U1-78.
628 Ebd.
629 Vgl. StA Nk, Dep. Saarstahl AG, 407-1-4-1873-40.
630 Zu den sozialpolitischen Aktivitäten des Nationalen Hüttenvereins Neunkirchen in der Nach¬
kriegszeit vgl. StA Nk, Best. Akten A I, Nr. 482-2.
631 Für Luxemburg vgl. Trausch 1974, S. 23.
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