preußischen Berghskus.29 Trotz aller Analogien: Derartige Einrichtungen erfüllten im
Hüttenwesen partiell andere Funktionen und zeitigten teilweise andere Wirkungen.
Die sozialpolitischen Einrichtungen der Hütten hatten zum Teil domestizierende, zum
Teil rein ökonomische Funktionen, indem sie eine folgsame, aber auch produktive Ar¬
beiterschaft heranziehen sollten.29S Ähnliche Einrichtungen im Bergwesen hingegen
korrespondierten, abgesehen von den pragmatischen Motiven, auch mit dem Selbstver¬
ständnis einer semi-ständischen Berufsgruppe. Ihre auf Exzeptionalität hinauslaufende
Eigenwahrnehmung wurde durch knappschaftliche Organisation, Symbolik, festliche
Zeremonien, Liedgut, Uniformen und sonstiges Brauchtum immer wieder bestärkt und
erneuert. Die Bergleute wussten sich geeint in einem geteilten Symbol- und Ritenhaus¬
halt. Frappierend ist, dass Adaptionsversuche im Hüttenbetrieb genau das Gegenteil
bewirkten: In aller Regel waren es nur die gehobenen Arbeiterkategorien, die am Ange¬
bot in vollem Umfang partizipieren konnten. Auf der Burbacher Hütte etwa waren die
Uniformen und Ehrenabzeichen sowie überhaupt das „geliehene Standesbewußtsein“
offenbar ein Vorrecht der Meister und Aufseher.* 299 Das adaptierte Zeremoniell hatte
also nicht eine werksübergreifende Solidarisierung in einem geteilten Berufsbewusstsein
zur Folge, sondern eine Fortsetzung innerbetrieblicher Trennungslinien: Die Status¬
symbolik blieb dem leitenden Personal Vorbehalten und bildete damit die betriebliche
Heterogenisierung und Hierarchisierung auf symbolischer Ebene ab.
Zum Teil bestätigt sich dieses Urteil mit Blick auf zwei Vereine des Neunkircher Ei¬
senwerks, deren Mitgliederbestände - sofern sie bekannt sind - sich zum allergrößten
Teil aus gelernten Arbeitern, Hüttenbeamten oder angelernten Arbeitern in gehobe¬
nen Positionen zusammensetzten. Der Verein „Die Werkstätte“ wurde im Jahre 1903
gegründet und richtete sich, wie es in Paragraph 3 der Satzung heißt, an ,,jede[n] unbe¬
scholtenen Arbeiter, [...] gleichviel ob gelernter, oder ungelernter Handwerker, inklu¬
sive Hilfs- und Transportarbeiter des Neunkircher Eisenwerks“.300 Die in Paragraph 2,
Absatz a) als Vereinsziel benannte „Hebung und Wahrung der Standesinteressen [...] als
Metallarbeiter“301 schien dann aber doch, glaubt man den wenigen überlieferten An¬
gaben zu den Mitgliedern des Vereins, nur einem bestimmten Segment der Belegschaft
Vorbehalten gewesen zu sein. Der Gründungvorstand von 1903 setzte sich zusammen
aus vier Ingenieuren, zwei Hüttenbeamten, fünf Schlossern, einem Schlossermeister
und einem Elektrowart. Der Verein insgesamt hatte zu diesem Zeitpunkt immerhin
497 Mitglieder, darunter 308 Angehörige der Werkstattabteilungen, die in ihrer Mehr¬
29 Vgl. Jacob 1993a, S. 30 ff.
298 Die betriebliche Sozialpolitik in ihren Intentionen, Formen und Folgen wird im folgenden Kapitel
IV noch ausführlich diskutiert.
299 Vgl. Ames 1989, S. 117; Zitat ebd.
300 Hüttenverein die Werkstätte NE. In: StA Nk, Bestand: Akten AI, Nr. 483. Es handelt sich um ein
paginiertes Dossier mit verschiedenen Dokumenten über diesen Verein, unter anderem einer Vereins¬
satzung. Hier: S. 6.
301 Ebd., S. 5.
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