aber die sechs maîtres lamineurs, die Walzmeister, die es auf einen Durchschnittslohn von
11.441,63 Francs per annum brachten, damit einen veritablen Spitzenlohn erzielten.2”
Für das Düdelinger (weniger für das Neunkircher) Werk mangelt es wahrlich nicht
an Zahlenmaterial die Löhne betreffend; dieses ist allerdings keineswegs frei von Un¬
wägbarkeiten und Interpretationsspielräumen. Mit wieviel Geld ein Arbeiter tatsäch¬
lich nach Hause ging, ist in den seltensten Fällen exakt zu bestimmen, da vor allem die
erhaltenen Prämien, Gratifikationen etc. scheinbar nicht immer aufgelistet und die Ab¬
züge für Versicherungen und ähnliches ebenfalls nicht konsequent berücksichtigt wur¬
den. Die wenigen Beispiele, die um weitere ergänzt werden könnten, sollen genügen.
Sie zeigen, dass die Lohnstruktur analog zur Belegschaftsstruktur sehr stark ausdiffe¬
renziert war, dass es ein (mehr oder weniger) beträchtliches Lohngefälle zwischen ein¬
zelnen Arbeiterkategorien gab. Oftmals lag dies in der unterschiedlichen Qualifikation
oder Verantwortlichkeit begründet. Die Qualifikation allein war allerdings nicht das
ausschlaggebende Kriterium bei der Lohnzuweisung. Dies zeigt sich schon allein daran,
dass - wie oben gezeigt - die Durchschnittslöhne der I. Schmelzer im Neunkircher Ei¬
senwerk 1916 zum Teil über denen der Schlosser und Schmiede lagen, obwohl letztere
im Gegensatz zu den Schmelzern über eine formale Berufsausbildung verfügten. Die
Schmelzer nahmen ihrerseits aber eine viel zentralere Stellung im Produktionsprozess
ein. Virulenter und für die Funktionsweise der Eisen- und Stahlindustrie signifikanter
ist allerdings der am Düdelinger Beispiel gezeigte Umstand, dass die Abstufungen zwi¬
schen den I. Leuten an den Konvertern und Walzanlagen und ihren II. und III. Leu¬
ten klar sichtbar waren. Dieses Lohngefälle war nicht unbedingt begründet durch die
genuine Qualifikation: Der I. Konvertermann verfügte lediglich über mehr produkti¬
onsspezifische Erfahrung als die ihm untergeordneten Ränge. Er hatte sich vermutlich,
von der Position des III. Mannes ausgehend, hoch gearbeitet, der höhere Lohn - die
Abstände in den Düdelinger Zahlen zwischen I. und III. hommes-convertisseur betru¬
gen mehrere Tausend Francs - war Ansporn für innerbetriebliches Vorankommen par
excellence: Durch zuverlässige Arbeit, Pünktlichkeit, Folgsamkeit gegenüber den Vor¬
gesetzten und weitere innerbetriebliche Sekundärtugenden stand jedem Arbeiter die
Tür offen zu einer besseren materiellen Situation. Hans Ehrenbergs These, dass „sich die
Lohnhierarchie [...] auf einer Hierarchie der Arbeitskräfte auf[baut]“,255 256 wird in allen
Betriebssegmenten mehr oder weniger klar deutlich. Diese Hierarchie war besonders im
modernen Konverterstahlwerk und im Walzwerk, wo zum Avancement berechtigende
Qualifikationen durch Erfahrung erreicht werden konnten, in hohem Maße durchlässig.
Das individuelle Avancement in eine höhere Lohnstufe stellte wohl eine viel konkrete¬
re und damit kurzfristig attraktivere Zielsetzung dar als eine nur langfristig erreichbare
kollektive Besserstellung.
255 Alle Daten und Zahlen nach: AnLux, ADU-U1-130/4.
256 Ehrenberg 1906, S. 159.
254