Zwar bildeten alle Teilbetriebe zusammen einen einzigen Produktionszusammenhang,
jedoch funktionierte jeder Betriebsteil weitgehend autonom, indem er genau eine Stufe
der Gesamtproduktion abzudecken hatte. Dies äußerte sich schon in der räumlichen
Trennung der einzelnen Abteilungen, die zumeist über eigene Zu- und Ausgänge, Büros,
Pausenräume und weitere Infrastruktur verfügten. Jedem Teilbetrieb stand in der Re¬
gel ein eigener Werks- oder Abteilungsleiter vor. Die vielteilige Betriebsgliederung eines
Hüttenwerks wirkte sich fundamental auf die Struktur der Belegschaft aus. Während
die zentrale Betriebsleitung stets den Gesamtvorgang überblickte, blieb der Arbeiter an
seinen spezifischen Platz im Werk gebunden. Er überschaute nur seinen jeweiligen Ein¬
satzbereich, hatte wenig Kontakt zu Arbeitern anderer Abteilungen. Letztlich entstand
innerhalb des Großbetriebs eine „Vielfalt verschiedener Arbeitsbedingungen“.132
Die heterogene Struktur der Gesamtbelegschaft in den beiden hier zu verhandelnden
Unternehmen spiegelt sich sehr anschaulich in einigen Wahlaufrufen für innerbetrieb¬
liche Mitbestimmungsorgane aus der Nach- und Zwischenkriegszeit. Im Februar 1920
genehmigte die französische Militärbehörde, den Vorgaben des Vaterländischen Hilfs¬
dienstgesetzes aus dem Jahr 1916 folgend, im Neunkircher Werk, das nach dem Ersten
Weltkrieg wie sämtliche schwerindustriellen Anlagen des Saarreviers unter französischer
Kontrolle stand, eine Arbeiterausschusswahl. Auf einem Plakat wurde die Arbeiterschaft
über die Wahlmodalitäten informiert. Die Belegschaft wurde dabei in nicht weniger als
3z Segmente, die gewissermaßen als Wahlbezirke' fungierten, eingeteilt. Dabei wurden
einzelne, größere Teilbetriebe noch einmal untergliedert, so etwa die Koksanlage mit
einer Abteilung A und einer Abteilung B. Abteilung A deckte sich mit dem eigentlichen
Ofenbetrieb, Abteilung B umfasste die Wäscherei, Kohlenseilbahn und den Bereich
für Nebenprodukte.133 In Düdelingen wurden, einem großherzoglichen Beschluss vom
8. Mai 1925 folgend, seit Mitte der 1920er Jahre regelmäßig Wahlen zu den Arbeiteraus¬
schüssen durchgeführt.134 In einer Bekanntmachung zur Wähl vom 30. November 1927
wurden insgesamt 16 Betriebsteile genannt, zusammengefasst zu sieben Wahleinheiten.
132 Zumdick 1990, S. 480. Zumdick relativiert die dadurch erzeugte „Fragmentierung“ der Arbeiter¬
schaft etwas, indem er daraufhinweist, dass innerhalb des Werks auch Betriebswechsel oder Aufstiege
in andere Positionen stattfanden. Hierin ist Zumdick sicherlich zuzustimmen, aber zugleich barg der
Umstand verstärkter Binnenmobilität andere Probleme, die weiter unten noch diskutiert werden.
133 Vgl. StA Nk, Dep. Saarstahl AG, 323-1-6-1919-30.
134 Bereits in der Vorkriegszeit gab es auf Initiative von Emile Mayrisch einen Betriebsrat in Düdelin¬
gen, 1919 dann, als Folge der Novemberereignisse, im ganzen Land. Diese wurden jedoch im Zuge der
großen Streikwelle 1921 und deren Niederschlagung aufgehoben, 1925 schließlich wieder eingeführt.
Vgl, dazu Conrardy 1991, S. 207 f. und Kapitel VI der vorliegenden Arbeit. Diese Ausschüsse blieben
ohne großen Einfluss und stellten kein ernsthaftes Gegengewicht zur Macht des Unternehmers dar, der
alle relevanten Entscheidungen völlig losgelöst von dem Gremium treffen konnte, das lediglich beraten¬
de Funktion hatte. Vgl. Lentz, Marc: Die Freien Gewerkschaften auf dem Weg zur Sozialpartnerschaft
(1921-1937), in: 75 Joër fräi Gewerkschaften. Contributions à l’histoire du mouvement syndical luxem¬
bourgeois. Beiträge zur Geschichte der luxemburgischen Gewerkschaftsbewegung, Esch-sur-Alzette
1992, S. 185-262, hier S. 189.
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