In der roulage und ähnlichen Abteilungen waren überwiegend ungelernte Arbeiter zu
Gange, die in der Werkshierarchie einen subalternen Rang einnahmen. Allerdings ist es
nicht möglich, pauschal vom Status einzelner Arbeiter auf die Schwere ihrer Verrichtungen
zu schließen. Bestes Beispiel hierfür sind die Puddler. Bis zum Ersten Weltkrieg existierte
in Neunkirchen ein Puddelwerk, Diidelingen kannte ein solches aufgrund der recht späten
Werksgründung schon nicht mehr. Rainer Fremdling charakterisiert das Puddeiverfahren,
in dem aus Roheisen schmiedbares Eisen gewonnen wurde, als „ein Ubergangsverfahren
zwischen Handwerk und Industrie“, den Puddler entsprechend als „Industriehandwerker“ A
Der ambivalente Begriff trifft die janusköpfige Arbeitsrealität des Puddlers sehr gut: Er ge¬
noss einerseits angesichts seiner handwerklich anmutenden Tätigkeit einen recht hohen
Stellenwert in der Werkshierarchie,65 66 andererseits aber verlangte seine Arbeitsverrichtung
nicht nur Geschick, sondern auch enormen körperlichen Kraftaufwand. Wie sah nun die
Tätigkeit des Puddlers aus? Heinz Gillenberg zufolge bestand eine Mannschaft an den
Neunkircher Puddelöfen aus fünf Personen: aus zwei Puddlern, einem Heizer und zwei
Gehilfen.6 Ausgerüstet mit einer langen Stange musste der Puddler durch ein Loch im
Ofen hindurch das schmelzende Roheisen solange umrühren und wenden, bis die richtige
Konsistenz und das richtige Mischungsverhältnis erreicht waren. Dabei wechselte er sich
mit seinen Gehilfen ab. Den darauffolgenden Arbeitsschritt musste er hingegen alleine be¬
wältigen, denn dazu bedurfte es einiger Erfahrung und Geschicklichkeit. Die Eisenmasse
musste nun, abermals mithilfe einer Stange, in mehrere (4-6) Teile zerlegt und geformt
werden, ehe die so entstandenen ,Luppen aus dem Ofen genommen, zum Hammer- oder
Walzwerk transportiert und weiter verarbeitet werden konnten.68 Zwar konnte ein Puddler
echte Spitzenlöhne erzielen.69 71 Aus einer Erhebung des Deutschen Metallarbeiterverban¬
des (DMV) geht hervor, dass ein im Akkordlohn arbeitender I. Puddler wenige Jahre vor
dem Ersten Weltkrieg auf dem Neunkircher Eisenwerk einen Schichtlohn von 7,25 Mark
erzielen konnte, während beispielsweise die Konverterleute im Flussstahlwerk lediglich auf
6,65 Reichsmark kamen. 0 Die enorme Belastung seiner Arbeit - das Halten und Koor¬
dinieren der schweren Eisenstange, das Rühren in einer zähen Masse - führte aber dazu,
dass er sie nur einige Jahre lang ausüben konnte. Mit steigendem Alter und schwindender
Arbeitskraft verlor er seinen Posten an jüngere, leistungsfähigere Kollegen. 1
verlangte aber enorme physische Kraftanstrengung und war überdies äußerst monoton. Abbildung ent¬
nommen aus ARBED (Hrsg.) 1981, S. 120.
65 Fremdling 1984, S. 638.
66 Fremdling spricht von „Elitearbeitern“. Siehe ebd., S. 660.
67 Vgl. Gillenberg 1992, S. 26.
68 Vgl. Fremdling 1984, S. 643 h Zur Arbeitswelt des Puddlers vgl. auch Paulinyi, Akos: Das Pud-
dein. Ein Kapitel aus der Geschichte des Eisens in der Industriellen Revolution, München 1987, Kap. 4;
Zumdick 1990, S. 162-170.
69 Vgl. Die Schwereisenindustrie 1912, S. 308. Dort findet sich eine Tabelle mit aggregierten Lohnda¬
ten, aus denen die Durchschnittsverdienste in den wichtigsten Teilbetrieben hervorgehen.
0 Siehe ebd., S. 337 und 341.
71 Vgl. Fremdling 1984, S. 649-656.
210