Schließlich entstand im Industriezeitalter ein neuer Sozialtypus des Arbeitnehmers:
der industrielle Lohnarbeiter. Ihn charakterisierte vor allem seine Abhängigkeit vom Ar-
beitsmarkt. Während sich in vorindustrieller Zeit Kleinbauern nebenbei und saisonal als
Tagelöhner oder Manufakturarbeiter verdingten, so lebte der idealtypische Lohnarbei¬
ter4 ausschließlich von der Veräußerung seiner Arbeitskraft gegen einen Lohn. Konjunk¬
turelle Schwankungen, Entlassungen und Arbeitslosigkeit konnten nicht mehr durch
Rückzug auf eine Zweittätigkeit kompensiert werden. In der marxistischen Theorie und
Terminologie gesprochen, fehlte es dem Industriearbeiter an Produktionsmitteln. Diese
stellte ihm der Fabrikant zur Verfügung, im Tausch gegen die Arbeitskraft, dem einzi¬
gen Gut, über das der Lohnarbeiter disponieren konnte. Hiermit ist die Unterscheidung
zum Bauern klar Umrissen, welcher nach Aufhebung der Leibeigenschaft immerhin über
seinen eigenen Acker und eigene Gerätschaften verfügte. Dies sollte allerdings nicht zu
verzerrten Urteilen über den Lebensstandard beider Sozialtypen verleiten: Die bäuer-
46 Diese in zahlreichen lokalhistorischen Arbeiten dokumentierte Szene verweist metonymisch auf
die Verknüpfung von Hüttenwerk und Neunkircher Lebenswelt: Die Eisen- und Stahlindustrie prägte
das Dasein der Menschen. Ihr Einfluss beschränkte sich dabei nicht nur aui die Beschäftigten selbst,
sondern gab der ganzen Stadt den Rhythmus vor. Neben den Frauen halfen auch die Kinder dabei, das
Essen ins Werk zu transportieren. Abbildung entnommen aus: KKV Unitas Neunkirchen (Hrsg.):
Neunkirchen damals, Neunkirchen 2i983, S. 106 f.
4/ Zu dem Modell des Lohnarbeiters vgl. Kocka 1990, S. 516-515.
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