tigte, und zwar den Bau der Eisenbahn: „1866 wurde der hiesige Bahnhof erbaut, und
unser Dorf war an den großen Verkehr angebunden!*696 Freilich bestand von Bierbach
aus keine Direktverbindung nach Neunkirchen, dafür aber nach Homburg und seit 1879
auch nach Zweibrückern69
Die gleiche bäuerlich-agrarisch geprägte und mit zahlreichen strukturellen Pro¬
blemen belastete Dorfwelt wie in den beiden ausgewählten Fällen trat im nördlichen
Raum des engeren Einzugsgebiets zu Tage. So befindet H. Peter Brandt, man könne
getrost annehmen, dass das Fürstentum Birkenfeld „nicht das wertvollste Fand war, das
Preußen dem kleinen Oldenburg hier anbot [anlässlich der Gebietseinteilung nach dem
Wiener Kongress] V98 Brandt begründet dies mit der unproduktiven und zersplitterten
Landwirtschaft und der unterentwickelten Industrie, die auch hier viele Menschen zur
Abwanderung zwangen.699
Der Übergang von ihren Heimatdörfern in die neue industrielle Umgebung mar¬
kierte für die zuwandernden Arbeiter einerseits eine deutliche biographische Zäsur: Die
wachsende Industriestadt bot ein ganz und gar ungewohntes Umfeld, das sich von der
agrarischen Welt mehr als deutlich unterschied. Zudem standen die Arbeitskräfte im
modernen Industriebetrieb vor neuartigen Anforderungen.596 600 Andererseits jedoch rela¬
tivierten und minderten einige Faktoren die Vehemenz des Übergangs. In ihrer Summe
führten sie dazu, dass agrarische Dispositionen auch in der neuen, industriellen Umge¬
bung fortwirkten. Das Fortdauern agrarischer Einflüsse manifestierte sich rein äußer¬
lich darin, dass viele Neunkircher Hüttenarbeiter auch in der Stadt über landwirtschaft¬
lich anmutende Besitzungen verfügten. Die Arbeiterhäuser waren häufig ausgestattet
mit kleinen Garten- und Ackerparzellen sowie Schuppen für Gerätschaften oder Heu.
Außerdem verfugten nicht wenige Arbeiter über einen kleinen Viehbestand.601 Dieser
Umstand wurde ganz massiv und bewusst von der Unternehmensleitung forciert, wo¬
von unter anderem die im Stadtarchiv Neunkirchen überlieferten Baukonzessionen des
Neunkircher Eisenwerks zeugen. Es handelt sich hierbei um jeweils in einzelnen Dossi¬
ers zusammengefasste Schriftwechsel zwischen dem Unternehmen und der zuständigen
Baubehörde: Die Firma Gebrüder Stumm beantragte ein Bauprojekt, das in der Regel
sehr zügig genehmigt wurde. Neben den Antrags- und Bewilligungsschreiben finden
sich in den entsprechenden Mappen auch detaillierte Baupläne der einzelnen Projekte.
Die Konzessionen betrafen Produktionsanlagen, aber eben auch Arbeiterhäuser. Fetz-
596 Ebd.
59 Siehe die Eröffnungsdaten der entsprechenden Bahnlinien Homburg-Hassel (1866) und Zweibrü-
cken-Reinheim-Saargemünd (1879) bei Hoppstädter 1961, S. 170 f.
59Я Brandt, H. Peter: Der Landesteil Birkenfeld, in: Eckhardt, Albrecht (Hrsg.): Geschichte des
Landes Oldenburg. Ein Handbuch, Oldenburg 1987, S. 591-636, hier S. 592.
599 Vgl. ebd. S. 592 f. und 606 f.
600 Vgl. Burgard 2010, S. 170. Dieser Problematik widmet sich Kapitel III noch ausführlich.
601 Vgl. Jacob 1993, S. 127.
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