oftmals als Ungelernte in die industrielle Welt eintraten. Auch zahlreiche Einheimische
wie deutsche Zuwanderer mussten sich mit niedrigen Verrichtungen zufrieden geben.
Was die Fernwanderer aber eindeutig in eine schlechtere Lage brachte, war ihre nachtei¬
lige Arbeitsmarktsituation. Ihre arbeitsmarkt- und sozialpolitische Funktion als,Sicher¬
heitsventil1 verlieh ihrer Existenz stets eine gewisse Gefährdung und Prekarität.
3 Ländlich-agrarische Prägung und nationale Diversität:
Das soziokulturelle Profil der Hüttenarbeiterschaften
Die Herkunftsgebiete wurden oben vor allem aut der Grundlage der politisch-adminis¬
trativen Einheiten bestimmt. Dies erschien zweckmäßig, da die Verwaltungsgliederung
- im Gegensatz zu oftmals unpräzise definierten naturräumlichen Einheiten - letztlich
zuverlässig ist und weniger Interpretationsspielräume offen lässt, somit in der Regel va¬
lide Daten liefert. Allerdings bleibt die Provenienzanalyse auf dieser Basis etwas steril,
denn die politisch-administrative Zugehörigkeit verrät zunächst wenig über das Geprä¬
ge der entsprechenden Herkunftsgebiete, mithin über die soziokulturellen Vorprägun¬
gen der Arbeiter. Deren grundlegende Aspekte und mögliche Folgeerscheinungen ste¬
hen im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen.
3.1 Neunkirchen: Ländlich-agrarische Verwurzelung
und Bedeutung der Konfession
In einer 1931 publizierten Studie „zur Soziologie des Industriearbeiters an der Saar “ be¬
hauptet Albert Schorr: „Aber ein Haupt[einzugs]gebiet haben die Hüttenwerke alle: den
Hunsrück!1''85 Dies bringt er, vor allem für Neunkirchen, damit in Zusammenhang, dass
„die Eisenindustrie unter Stumm vom Hunsrück in das Industriegebiet eingewandert“
sei.586 Schorrs Angabe ist teilweise zutreffend, bedarf in jedem Falle aber der Präzisierung
und Ausweitung. Wie die mithilfe der Neunkircher Fremdenbücher durchgeführte Mi¬
grationsanalyse zu Tage brachte, waren es hauptsächlich der Schwarzwälder Hochwald
im südlichen Hunsrück und das angrenzende Saar-Nahe-Bergland, die ein beträchtliches
Quantum der Zuwanderer stellten.58 Der nördliche Hunsrück hingegen spielte genau wie
die Eifel nur eine untergeordnete Rolle. Rein quantitativ von noch größerer Bedeutung als
diese nördlichen Zuwanderungsgebiete waren allerdings die Territorien östlich, südöstlich
und südlich von Neunkirchen, vor allem die Westpfalz und der Raum um Homburg, also
der heutige Saar-Pfalz-Kreis im Saarland und die Region Westpfalz in Rheinland-Pfalz.
■ Schorr, Albert: Zur Soziologie des Industriearbeiters an der Saar, Völklingen 1931, S. 39.
586 Ebd.
■s Zu den geographischen und topographischen Einteilungen vgl. Born, Martin: Geographische
Landeskunde des Saarlandes. Aus dem Nachlaß herausgegeben von Renate Born und Helmut Früh-
auf, Saarbrücken 1980, S. 10-39.
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