merte. Zur propagandistischen Schulung und Anbindung der Auslandsitaliener wurden
Organisationen wie die fasci all estero gegründet, die kirchlichen Einrichtungen gerieten
unter Kollaborationsverdacht, während sich die sozialistischen Einrichtungen zuneh¬
mend als verlängerter Arm des antifaschistischen Widerstands im Ausland begriffen.'’ 0
Neben den Italienern waren im Luxemburg der Industrialisierungsepoche weite¬
re Eernwanderergruppen präsent, die allerdings oftmals überhaupt keine Erwähnung
in der einschlägigen Forschungsliteratur finden und auch in entsprechenden Quellen,
wie in der mehrfach zitierten Werksstatistik des Jahres 1913, lediglich unter der Rubrik
„Sonstige“ subsumiert wurden.5 1 Dies hängt wohl damit zusammen, dass ihre Präsenz
weder so massiv, noch so kontinuierlich war wie die der Italiener, mithin damit, dass an¬
dere Fernmigranten das demographische und soziokulturelle Bild des Großherzogtums
nicht in dem Maße geprägt haben wie die Italiener.
Interessant ist der Fall der Jugoslawen im Düdelinger Werk. Sie tauchen nur ganz
punktuell und im Gefolge aktueller konjunktureller Gegebenheiten auf. Bis zum Ersten
Weltkrieg finden sich keine Spuren jugoslawischer Präsenz in Düdelingen, auch wenn
man berücksichtigt, dass die Gebiete des späteren Königreichs bis dahin Teil der Do¬
naumonarchie waren und daher nicht mit der expliziten Zuordnung als Jugoslawen
in den Dokumenten zu rechnen ist. Auch in der Stammrolle von 1914 existieren keine
Hinweise aut jugoslawische Immigration in stärkerem Umfang. Dies änderte sich dann
aber 192.9. Im Jahr der Höchstproduktion von Eisen und Stahl kam es sogar zu einer
bemerkenswerten Verdichtung jugoslawischer Arbeitskräfte in einem bestimmten Seg¬
ment des Werks. Insgesamt befanden sich in diesem Jahr 269 Jugoslawen und 57 Serben
in der Stichprobe von 1.388 Personen, wobei nicht ganz klar ist, wie sorgfältig die Unter¬
scheidung zwischen den einzelnen Teilgruppierungen auf dem Balkan getroffen wurde.
Jedenfalls stellten beide Gruppen zusammen immerhin 23,5 Prozent der Stichprobe, an¬
gesichts der vorangegangen Absenz eine bemerkenswerte Zahl.'’ 2
In den Stammrollen tauchen weitere Nationalitäten immer wieder punktuell auf,
ohne aber die Belegschaftsstruktur entscheidend zu prägen. Vor allem Osteuropäer (Rus¬
sen, Polen, Tschechen, Ungarn oder Litauer) werden regelmäßig genannt, außerdem
Personen aus Übersee (Amerika, Brasilien), bei denen es sich wohl um Rückwanderer
handelte. Auffällig ist, dass 1929 250 Jugoslawen und 48 Serben in den drei roulage-Abtei¬
lungen eingesetzt waren.* 573 Dies sind 91,4 Prozent dieser Gruppe. In der roulage-Abtei-
5~° Zu diesen Zusammenhängen vgl. Gallo 1987, S. 164-202. Dieser Themenkomplex ist in Kapi¬
tel VI noch zu vertiefen.
571 AnLux, ADU-U1-93.1913 wurden als „Sonstige“ gerade mal 32 Arbeiter geführt, 1909 40 und 1907
88. Damit blieben sie gegenüber Luxemburgern, Deutschen und Italienern deutlich zurück. 1907 wur¬
den zudem Franzosen und Belgier nicht gesondert aufgeführt, das heißt, sie fielen wohl auch unter diese
Kategorie.
572 AnLux, ADU-U1-130.
573 AnLux, ADU-U1-130/1.
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