der örtlichen Kirchengemeinde. Der bischöfliche Rat war „d’avis de refuser l’autorisation
sollicitée“, unter anderem mit dem Hinweis, man habe bereits 50.000 Francs in die Ver¬
schönerung der Innenstadt investiert, die durch die Installation großer Fabrikanlagen
konterkariert werde. Außerdem werde die Kirche in ihrer architektonischen Geltung
beeinträchtigt. Die Gesellschaft solle sich, so das Fazit, an einer geeigneteren Stelle einen
Bauplatz suchen. Unterstützung fanden die Gegner des Projekts in einem auf den 3. Mai
1903 datierten Schreiben, dessen Verfasser das Ansinnen der Hüttenleitung ebenfalls zu¬
rückwiesen, „weil es schon an sich selbst unstatthaft ist, einen Motor, inmitten einer Ort¬
schaft aufzustellen, hart an der Hauptstraße, stoßend an den öffentlichen Marktplatz und
sogar in aller nächster Nähe der Kirche“. Mit einem Erlass vom 13.Juni 1903 entschied
die Regierung den Streitfall zu Gunsten des Unternehmens. Zwar mussten beim Bau der
Großbäckerei einige Modifizierungen gegenüber den ursprünglichen Plänen vorgenom¬
men werden, insgesamt belegt die Angelegenheit aber den großen Einfluss der Hütte auf
die bauliche Entwicklung Düdelingens und, in einem grundlegenderen Sinne, die öffent¬
liche Bedeutsamkeit des Werks: Das Wort der Firma wog letztlich sogar schwerer als das
des Klerus.331 332 Die anvisierte Bäckerei war aller Wahrscheinlichkeit nach Teil der betrieb¬
lichen Versorgungspolitik und in diesem Zusammenhang Zulieferer für den Hüttenöko¬
nomat.333 Aber auch eine kommerzielle Nutzung ist nicht auszuschließen.
Selbstverständlich mussten auch die weitere Infrastruktur, das Straßennetz, die Kana¬
lisation sowie die Gas- und Elektrizitätsversorgung den gewachsenen Ansprüchen einer
Industriegemeinde angepasst werden. Seit etwa 1890 bemühte sich der Stadtrat verstärkt
um die planmäßige Neugestaltung der Straßenzüge, 1891 wurde eine erste Bauordnung
verabschiedet.333 Vor allem mussten die Straßen und Wege begradigt und verbreitert, ihre
Oberfläche verbessert werden. Manchmal geschah dies auch auf Kosten älterer Gebäu¬
de. Marc Thiel nennt den Vorgang gar „une haussmannisation à très petite échelle dans
les deux premières décennies du dernier siècle“.334 Auch arbeiteten die Stadtverantwort¬
lichen nun verstärkt Pläne die Kanalisation sowie die Wasser- und Energieversorgung
betreffend aus. Seit 1889 wurden neue Leitungen zur Wasserversorgung angelegt. Über¬
dies wurde ein Gaswerk installiert und ab 1901 funktionierte die elektrische Straßenbe¬
leuchtung.33’ Das Hüttenwerk wurde durch die Einrichtung des Bahnhofs „Dudelange-
Usines“ am 1. Oktober 1896 enger an die Stadt angebunden.336 Weitere infrastrukturelle
331 Die gesamte Begebenheit dokumentiert in AnLux, ADU-U1-91, S. 343-354, Zitate ebd., S. 349 und
353 f. In dem Dossier finden sich auch vier Planzeichnungen der projektierten Bäckerei, welche die gro¬
ßen Ausmaße des Bauprojekts belegen (S. 350 ff.).
332 Siehe dazu Kapitel IV.
333 Vgl. Lorang 1994, S. 4z.
334 Thiel 1007, S. 12.
335 Vgl. Conrardy/Krantz 1991, S. 139 ff; Thiel 2007, S. 11 £; Fohrmann/Weyrich 1957, S. 34f.
336 Vgl. Scuto, Denis: Du lieu de passage au „museum without walls“. Gare Dudelange-Usines, Quar¬
tier Italia, Dudelange, in: Lorang, Antoinette/ScuTO, Denis (Hrsgg.): La maison den face. Das Haus
gegenüber, Esch-sur-Alzette 1995, S. 141-144, hier S. 142.
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