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war, so hebt ihn doch der Umstand, daß er überhaupt in dem Stoffe
ein Problem fand und dies ästhetisch einwandsfrei durchdachte, hoch
empor.
Zeine Novelle gleicht einer Perlmuschel.
Nur Zchalenwert haben die drei folgenden Produkte des hannoverschen
Majors Müller.
Line leere Stoffsammlung ohne Ansatz zu innerlicher Verarbeitung.
Müller knüpft in den Hauptpunkten an die „Histoire secrette“ an,
bringt die von ihr noch nicht verwandten Züge der Gctaviaepisode bei
und nimmt einzelnes von Menantes auf, z. B. den Uriasbrief. Daneben
werden Urkunden mehr oder weniger getreu benutzt, die dem Verfasser,
der eine Zeit lang Bibliothekar des Herzogs von Cambridge war, leicht
zugänglich sein konnten, und Eignes banaler Art hinzugefügt. Beispiels¬
weise die folgende „Intrigue" der Gräfin platen: sie verschafft sich
einen Handschuh der Prinzessin, verliert ihn mit vorbedacht in einem
Pavillon in Gesellschaft Königsmarks und entfernt sich von dort beim
herannahen Georg Ludwigs. Dieser findet das Eigentum seiner Gattin,
glaubt daher, sie sei die von ihm nicht erkannte Begleiterin des Grafen,
und hält sie der Untreue für verdächtig.
Mit Hilfe derartiger literarischer Konfektion sucht der Nutor
das Interesse seine Leser zu erregen. Mitunter sucht er auch pikant
zu werden, während die „Histoire secrette“ und ihre Gefolgschaft
den „wackeren" Königsmark betonte und verstärkte, wird hier — viel¬
leicht in Anlehnung an den die „Histoire secrette“ kritisch be¬
trachtenden „Essai sur l’histoire de la Princesse d’Ahlen“ in den
„Archives littéraires de l’Europe“ (1804) — der „galante" Zug jenes
Charakters das primäre, Königsmark als ein gefährlicher Wollüstling
geschildert.
Er wird noch mehr herabgesetzt durch die Unterstellung, er habe
die Prinzessin in dem Wunsch zu fliehen nur bestärkt „in der heimlichen
Hoffnung, ihr Begleiter auf ihrer Flucht zu werden. Diese Aussicht
schmeichelte seiner Eigenliebe aufs höchste — er hoffte durch dieses
Abenteuer seinen bekannten Galanterien die Krone aufzusetzen, bei
allen Höfen Europas die Berühmtheit seines Namens noch zu erhöhen,
und eine Vertraulichkeit außer allen Zweifel zu stellen, welche ihn mit
einem Schlag zum wundermann stempeln würde und zum Gegenstand
des Neides aller seiner ausschweifenden Zeitgenossen." —
Diese Erdichtung erlebte drei Ausgaben: 1840 wurde sie der
Prinzessin selbst in den Mund gelegt als „Kurze Erzählung meiner