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und Familie durch lange Jahre gewohnt, schickte Georg Wilhelm seine
Tochter zurück.
So blieb als Ausweg nur die Flucht. Die dahin zielende „Intrigue"
der Prinzessin und ihrer beiden vertrauten entdeckte und verriet die
kurfürstliche Mätresse, Gräfin platen, eifersüchtig auf Sophie Dorothea,
da sie selbst eine Liebschaft mit Königsmark unterhielt.
Der Graf verschwand auf bisher unerforschte Weise in der Nacht
zum 1. Juli 1694.
Gleich darauf ward die Prinzessin in haft genommen, und die
Untersuchung gegen sie eröffnet.
Während man offiziell, „pour sauver les apparences“,Ä9) ihr
lediglich den Fluchtversuch „zum Vater" vorwarf und jede Liaison mit
Königsmark bestritt, beschuldigte man sie tatsächlich auch ehelicher Untreue.
Beweisen konnte man, soweit sich aus den nur noch teilweise
erhaltenen Akten ersehen läßt, nur den versuch einer „skandalösen
Intrigue". Sie selbst gab zwar zu, sie sei „un exemple de scandale“
gewesen, bestritt dagegen den Vorwurf des Ehebruchs. Die Strafe
wolle sie trotzdem auf sich nehmen als göttliche Schickung, um „sie von
der Welt, der sie ganz ergeben, abzuziehen und ihr Gelegenheit zu
geben, aus Gott und ihr salut zu gedenken".
Im Scheidungsprozeß klagte Georg Ludwig — abermals zur Ver¬
meidung unliebsamen Aufsehens — sie nur der „vorsätzlichen Desertion" an.
Das vom Hof inspirierte Gericht befand demgemäß.
Die Ehe wurde getrennt, dem „schuldigen" Teil die Wieder¬
vermählung untersagt, Sophie Dorothea nach dem einsamen Amtshaus
Ahlden gebracht. Dort starb sie nach mehr als dreißigjähriger haft?")
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Die „Prinzessin von Ahlden" erschien noch zu ihren Lebzeiten in
der erzählenden Literatur.
Zuerst 1705. Nlenantes-Hunold^), dem Autor der „Liebes¬
und Helden-Geschichte des Grafen Silibert von Cremarsig“ in
„Der Buropaeijchen Höfe Liebes- und Helden-Geschichte"^) kam die
ewige menschlich-allzumenschliche Sensationsgier zustatten, die in unseren
Tagen die Wangen den Groschenfortsetzungen — etwa des „Serbischen
Königsmords" — entgegenglühen läßt. Daneben das Wohlgefallen jener
Zeit an maskierter Zeitgeschichte.^) Wer freilich historische Treue ver¬
langte, kam bei ihm nicht aus seine Rechnung. Obwohl eine schon