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Kap. II. § 34.
Ethik fast ausschließlich im Zeichen der Gleichheit und Ge¬
setzlichkeit, oder der Gerechtigkeit. Aber zuletzt muß es
auch hier heißen: Nichts ist drinnen, nichts ist draußen,
denn was innen, das ist außen. Diese reine Einheit, diese
Koinzidenz der Innen- und Außenrichtung des Wollens
trifft eigentlich den unterscheidenden Sinn der Liebe, als
den des Einsseins im Wollen des Einen, der Einheit selbst,
und darum Einsseinwollens. Das ist mehr als Freiheit, mehr
als Gleichheit, es umfaßt gleich sehr beide, es ist Kindschaft
gegenüber dem Ewigen, dem Vater Gott, es ist im Ich-Du-
Verhältnis Bruderschaft gegenüber dem Mitkind des einen
Vaters; sofern es sich um den Menschen handelt, gegenüber
dem ,,Mitmenschen". Dem entspricht auch die andere Triade:
Glaube, Hoffnung, Liebe, von welchen mit Recht diese die
größte genannt wird, denn sie umfaßt wiederum die beiden
anderen. Von diesen entspricht der Glaube der Freiheit
(man denke etwa daran, wie bei Luther diese beiden Begriffe
streng zueinander gehören), die Hoffnung der Gemeinschaft,
welche auch die Gleichheit meint; denn Gemeinschaft, kraft
der Gleichheit, ist (wie wiederum Cohen stark betont) ewige
Aufgabe, stets erst zu verwirklichen, zu erhoffen, nie ge¬
geben. Die in ihrer Weise großartig einheitliche Ethik Co¬
hens, ganz aus dem Höchsten der jüdischen Prophetie ge¬
wachsen, bleibt doch eben wie diese ganz oder fast ganz in
der zweiten Phase stehen. Sie erfaßt diese in großer Tiefe,
nach allen Hauptseiten wohl erschöpfend, aber sie erreicht
nicht, jedenfalls nicht entschieden genug und nicht in ihrer
ganzen beherrschenden Stellung, die dritte. Bezeichnend
dafür ist, neben manchem anderen, daß er die Liebe nicht
in der Gegenseitigkeitsbeziehung, sondern ganz einseitig
im Liebenden sucht, während sie in Wahrheit selbst die
bloße Gegenseitigkeit noch überbietet im Sinne eines Eins-
sein-wollens, in dem alles Gegeneinander überwunden sein
sollte. In diesem Sinne vermißt man auch bei ihm, was