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Kap. IX. § 205.
Funktionen, sondern nur beratende, und vertrat doch
und eben damit die eigentliche Souveränität, die unzerreißbare
Einheit des römischen, das heißt aber des vielleicht einzigen
wirklichen Staates, den unsere Erde gesehen hat.
Doch hängt das Recht unserer Aufstellung nicht davon
ab, ob nach geschichtlichem Erinnern etwas wie das, was wir
fordern, schon einmal in irgendeinem Grade der Annäherung
erfüllt gewesen ist; bei genauerer Vergleichung würden sich
zweifellos Unterschiede heraussteilen, welche die Überein¬
stimmung vielleicht weit überwiegen. Unsere Aufstellung
will jedenfalls auf keinem andern Boden stehen, als auf den
sie sich gestellt hat, auf dem Boden einer unabweislichen
inneren Notwendigkeit, wenn je die letzte Idee des Staates
sich in einer empirisch möglichen Gestalt verwirklichen soll.
Auf diesem Boden, d. h. dem einer wirklichen Arbeitsgemein¬
schaft, verliert alles Reden von Unter- und Überwertigkeit
wohl gar ganzer Menschenklassen, von niederer und höherer
Art der Arbeit, qualitativ niederen und höheren Begabungen,
ganz seinen Sinn. Alle Arbeit ist gleich not und recht, wo sie
eben not ist und recht verrichtet wird. Der leidige Streit um
Ehren- und Rangstellung würde damit ebenso verschwinden,
wie bei gerechter Austeilung der Arbeiten und des Arbeits¬
ertrags der Habgier der Einzelnen durch den Wegfall aller
Anreize wie aller Gelegenheiten zum Bereichern und Über¬
vorteilen der Boden entzogen wäre.
Schwierig ist bei dem allen nicht die Sache selbst, sondern
nur, wie von einem so völlig dem gedachten entgegengesetz¬
ten Zustand wie dem heutigen dahin zu gelangen ist. Der
Weg kann nur der sein, daß die beiden jetzt am weitesten
voneinander getrennten Funktionen, Geist und Arbeit, ein¬
ander finden. Miteinander im engen Verein würden sie leicht
die dritte Funktion, die der rechtlich-politischen Formung,
in ihre Hand bekommen und sie nach den Bedürfnissen ihres
innigsten und reinsten Zusammenwirkens zu gestalten wissen.