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Kap. IX. § 203.
äußerlich betrachtet, sich hinauf entwickelt, um so mehr den
Charakter eines fortwährenden Kampfes an, eines Kampfes,
der, zugleich mit der allgemeinen Auflockerung des Zusammen¬
wirkens, welche die immer weitere Entwickelung in diver¬
genter Richtung mit sich bringt, zuletzt das Zusammenleben
zu sprengen droht. Zwar in den Anfängen dieser divergenten
Entwickelung wirkt noch etwas von der alten inneren Kraft
des Gemeinwillens fort. Aber sie nimmt zusehends ab; man
zehrt immer mehr von dem Kapital, welches von der ursprüng¬
lichen, naturhaften oder doch naturnahe verbliebenen Ge¬
meinschaft immer noch vorhanden ist. Endlich aber würde
es aufgezehrt sein; dann ergeben sich die schwersten Krisen.
Solche werden anfangs noch verhältnismäßig leicht über¬
wunden; aber sie kehren wieder und verschärfen sich mit
jeder Wiederkehr. Dann kommt alles darauf an, daß durch
innere Erneuerung der Gemeingeist in jedem wieder erstarkt
und über die bloß vertragsmäßige äußere Bindung das Über¬
gewicht erlangt, so daß es der letzteren immer weniger be¬
darf; im Ideal müßte sie ganz zum Verschwinden kommen.
Damit aber ist die Aufgabe gestellt für soziale Erziehung,
als Erziehung zur Gemeinschaft durch Gemeinschaft.
§ 203. Diese muß streben, die durch die Wirtschaft sich
stets erneuernden Arbeitskräfte der Gemeinschaft und die
durch das Recht geregelten Willen zum Zusammenarbeiten
in einem jeden aus den inneren, schöpferischen Quellen der
Seele so zu gestalten, daß sie schon aus eigenem Trieb sich
in das Gefüge der gemeinsamen Arbeit richtig einstellen.
Daß aber diese Kräfte und Willen sich selbst in gesundem
Kreislauf beständig neu erzeugen, ist nur dadurch gesichert,
daß vor allem die Quellkraft der Seele, aus der beide zuletzt
fließen, unversehrt erhalten bleibt und zu freiem Ausströmen
entbunden wird. Das aber fordert, daß jede Kraft und jeder
Wille zur Arbeit sich genau da und so betätigen kann, wo und
wie ein jeder als ganzer Mensch, wie wir sagen, mit dem Her¬