Die Funktionsgesetzlichkeit der Aktivität.
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Tun (der Erweis der Güte am Andern) von selbst fließt und
gar keines Willenseinsatzes mehr bedarf. „Zu den Guten bin
ich gut, und zu den Nicht-guten bin ich auch gut, denn das
Leben ist die Güte. Zu den Treuen bin ich treu, und zu den
Nicht-treuen bin ich auch treu, denn das Leben ist die Treue.
Der Berufene lebt in der Welt ganz still, aber er macht sein
Herz weit für die Welt.“ Aus solcher Haltung folgt ferner
völlige Gewaltlosigkeit, aus reinem Vertrauen, das stets dem
entgegengebracht wird, der selber vertraut. So gilt in allem
nicht Gebot, nicht Forderung, nicht Sollen, nicht äußeres An¬
ordnen. Das Gesetz gerade, dies wird oft und besonders
schlagend ausgeführt, erzeugt die Übertretung. „Der große
Sinn ward verlassen — da gab es Sittlichkeit und Pflicht.
Klugheit und Erkenntnis kam auf — da gab es die großen
Lügen. Die Blutsverwandten wurden uneins — da gab es
Kindespflicht und Liebe. Die Staaten kamen in Verwirrung
und Unordnung — da gab es treue Diener. Wird der Sinn ge¬
ehrt und das Leben gewertet, dann bedarf es keiner Gebote
und alles geht immerdar von selbst. Darum laßt den Sinn er¬
zeugen, nähren, mehren, bilden, vollenden, reifen, aufziehen,
schützen! Erzeugen und nicht Besitzen, Wirken und nicht
Behalten, Mehren und nicht Beherrschen: das ist das Geheim¬
nis des Lebens, das heißt die Ewigkeit erben. Wer erkennt
aber, daß es das Höchste ist, wenn nicht geordnet wird! . . .
die Welt erobern wollen durch Handeln — ich habe erlebt, daß
das mißrät. Die Welt ist ein geistiges Ding, das man nicht
behandeln darf. Wer sie behandelt, verdirbt sie. Seine Seele
einfältig machen und demütig, werden wie die Kindlein, rein
und lauter in innerem Schauen ohne Erkenntnisse! Wem des
Himmels Pforten sich öffnen und schließen, der mag wohl
rein empfangend sein. Wer seine männliche Kraft kennt und
doch in weiblicher Schwachheit verharrt, der ist das Strom¬
bett der Welt. So verläßt ihn nicht das ewige Leben. Er kann
wieder umkehren und werden wie die Kindlein, wieder um-