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Kap. IV. § 61.
des Gleichgewichts; daher sich vollziehend in Gleichungen.
Bezögen sich nun diese auch auf die Handlung, so wäre
das doch nicht selbst Handlung, sondern reine Theorie,
stillstehende und stillstellende, zurück- und gewiß auch vor¬
ausgewandte Betrachtung, als Betrachtung aber ruhend.
Auch sofern die Bewegung selbst, nicht bloß nach Ausgangs¬
und Zielpunkt, sondern auch durch alle Zwischenpunkte
hindurch — auch wenn der Durchgang selbst, hinsichtlich
seiner Gesetzlichkeit, seines Rhythmus in Betracht gezogen
wird, bliebe es doch im Betrachten (in der Theorie) und würde
damit nicht selbst Handlung (Praxis). Spricht man aber von
,,praktischer Vernunft“, so meint man nicht theoretische
Vernunft bloß in Hinsicht der Praxis, sondern man setzt
voraus eine Rationalität unmittelbar der Handlung selbst.
Diese ist nicht damit gegeben, daß sich die Handlung auch
von sich selbst Rechenschaft gibt und ihrem Tun. Sie soll
nicht bloß der Handlung dienstbare Theorie, sondern, als
Ratio, der Praxis selbst einwohnend und zugehörig, ja ur¬
sprünglich in ihr gegründet, also selbst ursprünglich praktisch
sein. Aber Ratio bedeutet auch nicht notwendig und nicht
zuerst nur Rechnung, Rechenschaftsablegung, es bedeutet
auch, und ursprünglicher, das, was die Rechnung und Rechen¬
schaftsablegung allein ermöglicht: das innerlich einstimmige
Verhalten, wie wenn jedes Einzelne aufs andere Einzelne
und aufs Ganze berechnet und gleichsam abgestimmt wäre,
so daß jedes tatsächlich aufs andere rechnet und rechnen
kann; d. h. eine solche innere Konstitution der Handlung,
gemäß welcher alles Besondere und Einzelne an ihr einander
so entspricht, daß es eben eine Einheit der Handlung aus¬
macht. Das also wäre die Rationalität der Handlung selbst,
die es zur Folge hat und darin die Probe hält, daß sich von
ihr, von dieser ihrer inneren Einstimmigkeit, auch befriedi¬
gend Rechenschaft geben läßt, und daß die Rechnung nach¬
her stimmt. Also rational gestaltet ist die Handlung, sofern