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Kap. III. § 50.
ist und nicht ist. Es muß zuletzt alles mit allem in seins¬
logischem Zusammenhang stehen, so daß, wenn Eines anders
sein sollte, schließlich alles anders sein müßte. So streng
wenigstens hat Leibniz selbst seinen ,,Satz des Grundes“ ver¬
standen wissen wollen. Damit ist freilich eine Forderung ge¬
stellt, deren Erfüllung in endlicher Erkenntnis ausgeschlossen
ist. Es ist damit höchstens nur ein Desiderat ausgesprochen:
so müßte es sein, so erst wäre es schlechthin logisch befrie¬
digend, wäre die Welt restlos rational. Die Forderung der
Logizität oder Rationalität in diesem Sinne ist nicht erledigt
mit der Erfüllung der Forderung der bloßen Identität oder
des Nicht-Widerspruchs (daß eben ist, was ist, nicht ist, was
nicht ist), sondern erst mit der des einstimmigen Zusammen¬
hangs, schließlich All-Zusammenhangs, in welchem jedes das
andere an seinem Teile mit stützt und trägt. Aber was ist
dieses Stützen und Tragen, und inwiefern ist es logisch ge¬
gründet ? Welcher Grund liegt jeweils darin, daß Etwas (A)
ist, dafür, daß etwas Anderes (B) ist, welches selbst nicht A,
und welches seinerseits A nicht ist? Was ist hier das Ver¬
bindende ? So fragten schon die alten Skeptiker, so fragt von
neuem, mit stärkstem Nachdruck, David Hume, und fragt
Kant, den im Werdestadium seiner kritischen Philosophie
kaum eine Frage so schwer wie diese beunruhigt hat. Er be¬
antwortet sie durch die Aufstellung einer (wie er glaubt) neuen
Art des Urteils: des synthetischen Urteils; was ihn dann in
weiterer Vertiefung zur Aufstellung einer logischen Funktion
der „Synthesis“, der „synthetischen Einheit“, und schließlich
der „synthetischen Einheit der Apperzeption“ führt. Diese
Lösung ist jedoch im Kerne keine andere, als die schon Plato
im Dialog „Der Sophist“ gefunden hat. Bei diesem, ent¬
schiedener noch und in schrofferer Deutlichkeit als bei Kant,
tritt die Forderung der Symploke, Verflechtung, Verbindung
— die vielleicht noch sinnfälliger als Humes und Kants „not¬
wendige Verknüpfung“ die Innerlichkeit des Zusammenhangs,