Full text: Vorlesungen über praktische Philosophie

Kapitel I 
Allgemein-systematische Grundlegung 
Die drei Grundphasen des Seins 
§ 1. „Praktische Philosophie“ betitelt sich diese Vor¬ 
lesung. Es ist nicht bloß sprachliches Bedenken, ob es 
nicht vielmehr heißen sollte: Philosophie der Praxis oder 
des Praktischen. Sondern es liegt darin die ernstlich sach¬ 
liche Frage: Verträgt Philosophie überhaupt Teilung? Ist 
es nicht ihr wesentlich, aufs Ganze zu gehen? — Wirklich 
soll uns „praktische Philosophie“ nicht ein Stück Philosophie 
bedeuten. Sie bleibt uns unzerstückt, ein durchaus unteil¬ 
bares Ganzes. Aber dies Ganze der Philosophie hat gleichsam 
mehrere Brennpunkte, aus deren jedem es, als Ganzes, sich 
anders darstellt. Die Weise oder der Sinn, in dem es sich 
für jeden dieser Punkte, indem der Blick sich darin einstellt, 
unterschiedlich gegen alle anderen darstellt, entspricht dann 
(um es dem Bilde gemäß auszudrücken) der Lage des Punktes 
zur ganzen Figur. So gibt es eine Behandlung des ganzen 
Umfanges der philosophischen Fragen unter dem Gesichts¬ 
punkt der Theorie, eine zweite unter dem Gesichtspunkt 
der Praxis, und eine dritte noch unter einem dritten Ge¬ 
sichtspunkt, ich nenne ihn den der Poiesis. Darunter ver¬ 
stehe ich freie, nämlich von theoretischer und praktischer 
Rücksicht freie Schöpfung. So gibt es vielleicht auch eine Be¬ 
handlung des Ganzen unter dem Gesichtspunkt des Kos¬ 
mischen, oder unter dem des Psychischen, und noch eines 
Natorp, Vorlesungen über prakt. Philosophie. 
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