Full text: Mythus und Kultur

Einleitung 
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zialen Motiven und aus der allgemein-empirischen 
Bewegung des zeitlichen Ablaufs und seiner prag¬ 
matischen Zusammenhänge, so würde man dennoch 
nicht verstehen, inwiefern sie etwas Geschichtliches 
darstellen und bedeuten. 
Ohne sinnhaft-normative Transzendenz über seinen 
tatsächlichen Verlauf und Bestand, ohne postulative 
Durchbrechung desjenigen Kreises, in dem ein ge¬ 
schichtliches Ereignis „erscheint“, verliert sich und 
verkümmert ein solches Ereignis bedeutungslos in 
sich selbst. Das tiefe systematische Recht und der 
großartige Sinn des platonisch-kantischen Dualismus, 
der Idee und Erscheinung, Aufgabe und Tatsache, 
Norm und empirischen Sachverhalt in ein Verhältnis 
korrelativer Gegenüberstellung setzt, bekunden und 
bewähren sich in ihrer ganzen Geltung gerade bei 
der philosophischen Auslegung und konstruktiven Er¬ 
gründung geschichtlicher Geschehnisse und Personen. 
Wenn wir%einem solchen Geschehnis oder einer sol¬ 
chen Person den Charakter historischer Größe zu¬ 
sprechen, so beruhen Sinn und Evidenz dieses Urteils, 
also seine Wahrheit, auf der ewig unanfechtbaren 
Antinomie zwischen dem, was sie tatsächlich ist und 
innerhalb des geschichtlichen Allgemeinbestandes be¬ 
sagt, und dem metempirischen Sinn, dessen nur un¬ 
vollkommener Träger und nur unvollkommener Ver- 
wirklicher sie ist. Paradox ausgedrückt: Nur dann 
kann von dem geschichtlichen Wert einer Stufe 
oder Erscheinung des geschichtlichen Lebens ge¬ 
sprochen werden, wenn sie sich der Nivellierung in 
das Bloß-Seiende erfolgreich widersetzt, wenn sie die 
immer zu einem verhängnisvollen Relativismus füh¬ 
rende Immanenz ihrer Tatbeständlichkeit durch die 
Herstellung einer Beziehung zu irgendeiner absoluten 
Norm und normativen Absolutheit zu überwinden ver¬ 
mag. Es ist die Sünde einer Zeit und eines Lebens und
	        
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