künftig uns gewähren. Haben wir etwa Hunger oder
begehren wir die übrigen zum Leben notwendigen Dinge,
weil wir wünschen ? Oder sind Hunger, Durst und sinn¬
liche Begierden selber freie Wünsche ? Wie der Begeh¬
rende handelt, mag von ihm allein abhängen, das Begeh¬
ren selbst aber kann es nicht. Das ist jedem aus eigener
Erfahrung so offenkundig, daß ich mich wundern muß,
daß es so viele Menschen gibt, die das nicht verstehen.
Wenn wir sagen, es stehe in jemandes freiem Ermessen,
dies oder das zu tun oder nicht zu tun, so ist das immer
zu verstehen unter Hinzufügung der Voraussetzung: ,,wenn
er will.“ Sinnlos ist es dagegen zu sagen, jemand habe
die Freiheit, dies oder jenes zu tun, ob er wolle oder
nicht.
Erwägt man, ob man eine Absicht ausführen oder unter¬
lassen soll, so spricht man von Überlegen und Entschei¬
den, und das bedeutet, sich der Freiheit, das eine oder
das andere zu tun, zu begeben. Bei dieser Überlegung
ist man bald geneigt, bald abgeneigt, je nachdem sich
Vorteile und Nachteile auf der einen oder anderen Seite
zeigen; schließlich, wenn die Sachlage eine Entscheidung
fordert, führt ein letzter Antrieb zu tun oder zu lassen
unmittelbar die Handlung oder die Unterlassung her¬
bei und dann spricht man im eigentlichen Sinne von
„Wollen“.
3. Nach der Ordnung der Natur geht die Wahrnehmung
dem Begehren voraus. Denn ob das, was wir sehen,
angenehm sein wird oder nicht, läßt sich nur auf Grund
von Erfahrung, d. h. durch Wahrnehmung, wissen. Daher
pflegt man zu sagen, das Unbekannte reize uns nicht.
Indessen kann es eine Begierde, etwas Unbekanntes ken¬
nen zu lernen, geben. Sie erklärt, daß kleine Kinder nur
wenig begehren, größere Kinder mehr und Unbekanntes
versuchen und mit fortschreitendem und gereiftem Alter
die Menschen, besonders die Gelehrten, unzählige, auch
nicht notwendige Dinge kennen zu lernen streben. Und
was sie als angenehm erprobt haben, begehren sie später¬
hin wiederholt, von der Erinnerung getrieben. Bisweilen
wird auch etwas, was beim ersten Kennenlemen unange¬
nehm ist, wenn es nur selten oder neu gewesen ist, durch
die Gewohnheit nicht mehr als unangenehm, später sogar
als angenehm empfunden. So großen Einfluß hat die
Gewohnheit auf die Sinnesänderung einzelner Menschen.
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