haupt nur für eine Gemeinschaft der Willen, ebenso wie
die Welt des Verstandes nur für den gemeinen Verstand.
Das Gute, schlechthin und ohne Einschränkung, kann
gar nicht gedacht werden als Aufgabe für den isolierten
Einzelnen. Es ist in seinem überindividuellen, unend¬
lichen Charakter zu groß selbst für eine noch so weit
verstandene empirische Gemeinschaft. Sofern aber für
die Individuen, besteht die sittliche Aufgabe nur für alle
insgesamt; für jeden Einzelnen nur gemäß dem Anteil,
der an der gemeinschaftlichen Aufgabe gerade ihm, nach
der Besonderheit seiner Lage und Befähigung, zufällt.
Was in concreto das Sittliche für den Einzelnen, hängt
davon ab, was es für alle, was für die Person überhaupt,
davon, was es an sich, sachlich, objektiv ist. Das „Ich
soll“ hat, wenn nach dem Inhalt des Sollens die Frage
ist, zur Grundlage das „Es soll“, das Gute der Person
das Gute der Sache, nicht umgekehrt.
Darum bleibt doch das Wollen des Guten selbst indi¬
viduell. Es kann keiner für mich wollen, für mich Ver¬
nunft haben, praktische so wenig wie theoretische. Daß
ich oder mein Tun gut sei, liegt rein an mir, an der Be¬
schaffenheit meines Wollens, und ist ganz davon unab¬
hängig, ob auch der Andre es dafür erkennt. Sittlichkeit
besteht nicht durch einen Vertrag auf Gegenseitigkeit;
habe ich bei mir selbst etwas für gut erkannt, so bleibt
es für mich geltend, und ob alle Welt es anders befände.
Der sittliche Wille unterwirft sich nur dem Gesetz, das
er sich selbst giebt. Allein jetzt ist nach dem Inhalt des
Gesetzes, nicht nach dem Gesetzgeber die Frage. Die
Gesetzesform selbst aber verleiht diesem Inhalt objek¬
tiven und also überindividuellen Charakter. Der Glaube
an eine Sache ist das Merkmal sogar des (eigentlichen)
Willens überhaupt, nicht erst des sittlichen Willens.
Mag aber einer den Gegenstand seines besonderen Wollens
für seine ausschließliche Sache halten, so ist doch der
Wille so lange noch nicht rein sittlich, d. h. erfüllt er
nicht rein sein eigenes Gesetz, als man noch die eigene
Sache gegensätzlich gegen die des Andern stellt; er ist
es erst dann, wenn ich erkenne: meine Sache ist keine
andre, soll keine andre sein, als die auch jedes Andern
Sache sein sollte und der Wahrheit nach ist.
Also bleibt es dabei, daß das Sittliche an und für sich,
seinem Inhalt nach, Gemeinschaftssache und in keiner
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