Full text: Ethik

dauernde Ruhe kann auf Erden Keiner haben. Wir 
sehen daher die Geschichten des innern Lebens der 
Heiligen voll von Seelenkämpfen, Anfechtungen und 
Verlassenheit von der Gnade, d. h. von derjenigen Er¬ 
kenntnisweise, welche, alle Motive unwirksam machend, 
als allgemeines Quietiv alles Wollen beschwichtigt, den 
tiefsten Frieden giebt und das Tor der Freiheit öffnet. 
Daher auch sehen wir Diejenigen, welche einmal zur 
Verneinung des Willens gelangt sind, sich mit aller An¬ 
strengung auf diesem Wege erhalten, durch sich abge¬ 
zwungene Entsagungen jeder Art, durch eine büßende, 
harte Lebensweise und das Aufsuchen des ihnen Unan¬ 
genehmen: Alles, um den stets wieder aufstrebenden 
Willen zu dämpfen. Daher endlich, weil sie den Wert 
der Erlösung schon kennen, ihre ängstliche Sorgsamkeit 
für die Erhaltung des errungenen Heils, ihre Gewissens¬ 
skrupel bei jedem unschuldigen Genuß, oder bei jeder 
kleinen Regung ihrer Eitelkeit, welche auch hier am 
letzten stirbt, sie, von allen Neigungen des Menschen die 
unzerstörbarste, tätigste und törichteste. — Unter 
dem schon öfter von mir gebrauchten Ausdruck Askesis 
verstehe ich, im engem Sinne, diese vorsätzliche 
Brechung des Willens, durch Versagung des Ange¬ 
nehmen und Aufsuchen des Unangenehmen, die selbst¬ 
gewählte büßende Lebensart und Selbstkasteiung, zur 
anhaltenden Mortifikation des Willens. 
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