diesem sittlichen Sollen der Anredende sein, und wer der
Angeredete? Mancherlei zu diesem Behuf gebrauchte
Gegensätze treten uns hier vor Augen, aber keiner will
sich recht angemessen zeigen. Die praktische Vernunft
oder das obere Begehrungsvermögen redet an; dann aber
muß angeredet werden das untere Begehrungs vermögen
oder die Sinnlichkeit, aber dann auch ihr nichts zuge¬
mutet, was sie nicht wirklich vollziehen kann. Kann
aber wohl die Sinnlichkeit darauf angeredet werden zu
vollziehen, was z. B. in dem Kantischen kategorischen
Imperativ enthalten ist? Unmöglich. Denn in ihr liegt
kein Trieb auf allgemein Gesetzmäßiges, ja auch nicht
einmal ein Urteil darüber, ob etwas, was sie wirklich voll¬
ziehen kann, dem Gesetzmäßigen widerspreche oder nicht.
Ja sie vernimmt überhaupt schon nicht das bloße Wort,
sondern es gibt mit ihr keine andere Sprache als die der
Empfindung oder des Reizes, sei es in der unmittelbaren
Gegenwart oder in Furcht und Hoffnung. Ebenso ist es
mit dem Fichteschen Prinzip der Sittlichkeit, sowohl dem
formalen Ausdruck desselben, sich die absolute Selb¬
ständigkeit zum Gesetz zu machen, als auch dem realen,
die Finge gemäß ihrer Bestimmung zu behandeln. Denn
die Sinnlichkeit besteht nur in der Wechselwirkung, und
hat überall keine Selbständigkeit, noch auch kennt sie
eine andere Bestimmung der Dinge als deren Beziehung
auf sie selbst. Oder soll die Vernunft anreden, und das
obere Begehrungsvermögen angeredet werden? Denn
man hat beide auch irgendwie unterschieden, und wir
wollen gern zufrieden sein, wenn wir unserm Sollen zu¬
liebe auch nur einen halb eingebildeten Unterschied
herausbringen. Will man aber beide unterscheiden: so
muß doch die praktische Vernunft nicht begehren, sofern
sie nicht soll das Begehrungsvermögen sem. Im Aus¬
sprechen des Sollens aber begehrt sie, denn das Anmuten
ist doch ein Begehren; und man kann nicht sagen, daß
sie als nichtbegehrend von sich selbst als Begehrendes
etwas begehrte. Oder ist es die Vernunft überhaupt und
an sich, welche anmutet der Vernunft des einzelnen?
Wenn anders dies nicht schon ein Unterschied gar nicht
mehr ist, sondern nur scheint. Aber wenn es auch einer
ist: so spricht doch der einzelne die Pflicht aus in sich
selbst für sich selbst, und das Begehren, selbst etwas zu
tun, ist nur ein Wollen, kein Sollen, so wie das An-
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