nicht geschickt, weder um für irgendeinen Augenblick
ein bestimmtes Handeln zu entwerfen, noch um ein
schon entworfenes danach zu prüfen. Letzteres, weil das
Verhältnis einer Handlung zu dieser Formel nicht un¬
mittelbar erkannt werden kann. Denn wenn ein ent¬
worfenes Handeln noch so klar vor Augen liegt: so kann
weder bestimmt behauptet werden, daß es alle Güter
fördern müsse, noch auch mit rechtem Grunde geleugnet,
daß es dieses nicht leisten könne. Und ebenso mit den
Tugenden. Vielmehr wenn mir die Vorstellung einer be¬
stimmten Handlung vorliegt, die sich nicht schon gleich
als unsittlich zu erkennen gibt: so kann es mir nur als
ein Zufälliges erscheinen, ob sie in beiden Stücken unserer
Aufgabe entsprechen wird oder nicht. Noch weniger
kann durch diese Formel allein ein Handeln bestimmt
werden; sondern es lassen sich von derselben Voraus¬
setzung gar mancherlei Handlungen entwerfen, denen
mit gleichem Rechte die Möglichkeit zukäme, ihr zu ent¬
sprechen. Es ist aber ganz vorzüglich die Anwendbarkeit
in dem Leben selbst, sowohl wo die Konstruktion der
Zweckbegriffe schwankt oder stockt, als auch für die
Beurteilung des Geschehenen, welche der Pflichtenlehre,
dieser den Alten fast unbekannten Behandlung der
Ethik, in der neueren Zeit eine so ganz vorzügliche
Gunst geschafft hat. Andernteils wenn man auch diese
allgemeine Formel weiter entwickeln wollte, um ein
System der einzelnen Formeln daraus zu bilden: so
scheint sich unmittelbar kein anderer Einteilungsgrund
in derselben darzubieten, als entweder nach den Tugen¬
den, welche tätig sind, oder nach den Gütern, welche
angestrebt werden; dann aber wäre diese Behandlung
keine selbständige Darstellung der Sittlichkeit, sondern
ganz abhängig von der Lehre vom höchsten Gut und von
der Tugendlehre, und somit verlöre die Pflichtenlehre
alles, was sie der Wissenschaft empfehlen kann. Denn
für diese bleibt immer die objektivste Darstellung, also
die aus dem Begriff der Güter, die erste und für sich
hinreichende; die beiden andern dienen jener nur gleich¬
sam als Rechnungsprobe, welches sie aber nur in dem
Maß leisten können, als sie nicht unmittelbar aus ihr
entlehnen. Wie wir also die Tugendlehre gesucht haben
zu gestalten, ohne von einer der beiden andern Formen
unmittelbaren Gebrauch dafür zu machen: so darf auch
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