Zweck nicht zum Grunde liegt, kann inwiefern es ihn
doch befördert, materialiter recht, legal sein, aber es ist
formaliter pflichtwidrig. Ein Handeln, das wohl gar auf
den entgegengesetzten Zweck ausgeht, ist materialiter
und formaliter böse und gewissenlos. — Wenn nach diesen
Grundsätzen eine Zeitlang gehandelt wird, so kann es
wohl geschehen, daß der gemeinsame Wille ganz gegen
die Verfassung des Staats ist; dann ist die Fortdauer
desselben rechtswidrige Tyrannei und Unterdrückung;
dann fällt der Notstaat von selbst um, und es tritt eine
vernünftigere Verfassung an dessen Stelle. Jeder Bieder¬
mann, wenn er sich nur von dem gemeinsamen
Willen überzeugt hat, kann es dann ruhig auf sein
Gewissen nehmen, ihn vollends umzustürzen. (Im Vor¬
beigehen. — Ich will nicht sagen gewissenlose — darüber
mögen sie sich vor ihrem eignen Gewissen richten — aber
wenigstens äußerst unverständige Menschen treiben
neuerlich ein Geschrei, als ob der Glaube an eine unge¬
messene Perfektibilität der Menschheit etwas höchst Ge¬
fährliches, höchst Vernunftwidriges und die Quelle, Gott
weiß welcher Greuel wäre. Stellen wir die Untersuchung
in den rechten Gesichtspunkt, um diesem ( eschwätze
auf immer ein Ende zu machen. Es ist zunächst nicht
die Frage: muß man aus bloßen theoretischen Vernunft¬
gründen sich für oder gegen diese Perfektibilität ent¬
scheiden? Wir können diese Frage ganz beiseite liegen
lassen. Das auf die Unendlichkeit gehende Sittengesetz
gebietet schlechterdings, die Menschen zu behandeln,
als ob sie immerfort der Vervollkommnung fähig wären
und blieben; es verbietet schlechterdings, sie auf die ent¬
gegengesetzte Weise zu behandeln. Diesem Gebote kann
man nicht gehorchen, ohne an die Perfektibilität zu
glauben. Sie ist sonach einer der ersten Glaubensartikel,
an dem man gar nicht zweifeln kann, ohne seine ganze
sittliche Natur aufzugeben. Wenn sonach auch zu be¬
weisen wäre, daß das Menschengeschlecht von Anbeginn
bis auf diesen Tag gar nicht vorwärts-, sondern immer
zurückgekommen wäre; wenn sich aus den natürlichen
Anlagen desselben das mechanische Gesetz ableiten ließe,
zufolgedessen sie notwendig zurückkommen müßten (wel¬
ches alles weit mehr ist, als je geleistet werden kann): so
dürften und könnten wir den uns innerlich und unaus-
tilglich eingepflanzten Glauben dennoch nicht aufgeben.
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