oder jenes. Insofern er überhaupt ist, ist er vernünftiges
Wesen; insofern er irgend etwas ist; was ist er dann ? —
Diese Frage haben wir zu beantworten. —
Das, was er ist, ist er zunächst nicht darum, weil
er ist; sondern darum, weil etwas außer ihm ist. —
Das empirische Selbstbewußtsein, d. i. das Bewußtsein
irgend einer Bestimmung in uns, ist nicht möglich, außer
unter der Voraussetzung eines Nicht-Ich, wie wir schon
oben gesagt haben und an seinem Orte beweisen werden.
Dieses Nicht-Ich muß auf seine leidende Fähigkeit,
welche wir Sinnlichkeit nennen, einwirken. Insofern also
der Mensch etwas ist, ist er sinnliches Wesen. Nun aber
ist er nach dem Obigen zugleich vernünftiges Wesen,
und seine Vernunft soll durch seine Sinnlichkeit nicht
aufgehoben werden, sondern beide sollen nebeneinander
bestehen. In dieser Verbindung verwandelt sich der
obige Satz: Der Mensch ist, weil er ist — in den folgen¬
den: Der Mensch soll sein, was er ist, schlecht¬
hin darum, weil er ist, d. h. alles was er ist, soll auf
sein reines Ich, auf seine bloße Ichheit bezogen werden;
alles, was er ist, soll er schlechthin darum sein, weil er
ein Ich ist; und was er nicht sein kann, weil er ein Ich
ist, soll er überhaupt gar nicht sein. Diese, bis jetzt noch
dunkle Formel wird sich sogleich aufklären.
Das reine Ich läßt sich nur negativ vorstellen; als das
Gegenteil des Nicht-Ich, dessen Charakter Mannigfaltig¬
keit ist — mithin als völlige absolute Einerleiheit; es ist
immer ein und ebendasselbe und nie ein anderes. Mithin
läßt die obige Formel sich auch so ausdrücken: der
Mensch soll stets einig mit sich selbst sein; er soll sich
nie widersprechen. — Nämlich, das reine Ich kann nie
im Widerspruche mit sich selbst stehen, denn es ist in
ihm gar keine Verschiedenheit, sondern es ist stets ein
und ebendasselbe: aber das empirische, durch äußere
Dinge bestimmte und bestimmbare Ich kann sich wider¬
sprechen; — und so oft es sich widerspricht, so ist das
ein sicheres Merkmal, daß es nicht nach der Form des
reinen Ich, nicht durch sich selbst, sondern durch äußere
Dinge bestimmt ist. Und so soll es nicht sein; denn der
Mensch ist selbst Zweck; es soll sich selbst bestimmen
und nie durch etwas Fremdes sich bestimmen lassen;
er soll sein, was er ist, weil er es sein will, und wollen soll.
Das empirische Ich soll so gestimmt werden, wie es ewig
io Liebert, Ethik.
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