gung zu ihr hat. Z. B. es ist allerdings pflichtmäßig,
daß der Krämer seinen unerfahrenen Käufer nicht über¬
teuere, und, wo viel Verkehr ist, tut dieses auch der
kluge Kaufmann nicht, sondern hält einen festgesetzten
allgemeinen Preis für jedermann, so daß ein Kind ebenso
gut bei ihm kauft als jeder andere. Man wird also ehr¬
lich bedient; allein das ist lange nicht genug, um des¬
wegen zu glauben, der Kaufmann habe aus Pflicht und
Grundsätzen der Ehrlichkeit so verfahren; sein Vorteil
erforderte es; daß er aber überdem noch eine unmittel¬
bare Neigung zu den Käufern haben sollte, um gleichsam
aus Liebe keinem vor dem anderen im Preise den Vorzug
zu geben, läßt sich hier nicht annehmen. Also war die
Handlung weder aus Pflicht noch aus unmittelbarer
Neigung, sondern bloß in eigennütziger Absicht ge¬
schehen.
Dagegen sein Leben zu erhalten, ist Pflicht, und über¬
dem hat jedermann dazu noch eine unmittelbare Nei¬
gung. Aber um deswillen hat die oft ängstliche Sorgfalt,
die der größte Teil der Menschen dafür trägt, doch keinen
inneren Wert und die Maxime derselben keinen mora¬
lischen Gehalt. Sie bewahren ihr Leben zwar pflicht¬
mäßig, aber nicht aus Pflicht. Dagegen wenn Wider¬
wärtigkeiten und hoffnungsloser Gram den Geschmack
am Leben gänzlich weggenommen haben, wenn der Un¬
glückliche, stark an Seele, über sein Schicksal mehr ent¬
rüstet als kleinmütig oder niedergeschlagen, den Tod
wünscht und sein Leben doch erhält, ohne es zu lieben,
nicht aus Neigung oder Furcht, sondern aus Pflicht: als¬
dann hat seine Maxime einen moralischen Gehalt.
Wohltätig sein, wo man kann, ist Pflicht, und über¬
dem gibt es manche so teilnehmend gestimmte Seelen,
daß sie, auch ohne einen anderen Bewegungsgrund der
Eitelkeit oder des Eigennutzes, ein inneres Vergnügen
daran finden, Freude um sich zu verbreiten, und die
sich an der Zufriedenheit anderer, sofern sie ihr Werk
ist, ergötzen können. Aber ich behaupte, daß in solchem
Falle dergleichen Handlung, so pflichtmäßig, so liebens¬
würdig sie auch ist, dennoch keinen wahren sittlichen
Wert habe, sondern mit anderen Neigungen zu gleichen
Paaren gehe, z. E. der Neigung nach Ehre, die, wenn sie
glücklicherweise auf das trifft, was in der Tat gemein¬
nützig und pflichtmäßig, mithin ehrenwert ist, Lob und
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