Full text: Ethik

Eindruck, den die Tugend hervorbringt, angenehm und 
den, der vom Laster ausgeht, unangenehm nennen . .. 
Es gibt kein lieblicheres und schöneres Schauspiel als 
eine großmütige Tat und keines, das uns mehr Abscheu 
einflößt als eine grausame und verräterische.... Die 
unterscheidenden Eindrücke, durch die wir das sittlich 
Gute und das sittlich Schlechte erkennen, sind also nichts 
anderes als besondere Lust- und Unlustgefühle; daraus 
folgt, daß es bei allen Untersuchungen über diese sitt¬ 
lichen Unterscheidungen genügt, wenn wir die Gründe 
aufweisen, die uns bei der Betrachtung eines Charakters 
Befriedigung oder Unbehagen empfinden lassen . . . Unser 
Bewußtsein der Tugend besteht nur darin, daß wir bei der 
Betrachtung eines Charakters eine besondere Art von 
Befriedigung fühlen. In eben diesem Gefühl besteht unser 
Lob und unsere Bewunderung. Wir fragen nicht erst 
weiter nach der Ursache dieser Befriedigung; wir schließen 
nicht erst aus dem Umstand, daß ein Charakter uns 
erfreut, daß er tugendhaft sei, sondern indem wir fühlen, 
daß er uns in einer bestimmten Weise erfreut, fühlen wir 
eben damit, daß er tugendhaft ist. 
.. . Diese Entscheidung ist sehr bequem. Ihr zufolge S. 217 
können wir uns, um den Ursprung der sittlichen Richtig¬ 
keit oder der sittlichen Verwerflichkeit einer Handlung 
zu zeigen auf die einfache Frage beschränken: Warum 
erweckt eine Handlung oder ein Gefühl, wenn wir sie für 
sich betrachten und prüfen, (für sich d. h. ohne Rücksicht 
auf unsere persönlichen Interessen, also objektiv) eine 
bestimmte Art der Befriedigung oder ein bestimmtes 
Unbehagen ? 
Ich habe schon angedeutet, daß unser Bewußtsein der S. 219 
Tugend nicht bei allen Arten derselben ein natürliches ist, 
daß es vielmehr einige Tugenden gibt, die Lust und Zu¬ 
stimmung nur erwecken auf Grund einer künstlichen Ver¬ 
anstaltung, die aus den Lebensverhältnissen und Bedürf¬ 
nissen der Menschheit entsteht. Ich behaupte, daß der 
Rechtssinn zu diesen gehört. 
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