Zur Lehre vom Gemüt.
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weil es stets ein „unklares“ ist, vom gemeinen Bewußtsein
in dieser seiner Bedeutung nicht erfaßt wird und ihm vielmehr
gar nicht mit als Grund für die Unklarheit der Stimmung
in Frage kommt, wenn man nach einem Grunde fragt, erklärt
sich vielleicht am ungezwungensten aus der Gewohnheit, die
Bedingung unserer Gefühle (Lust oder Unlust), sobald nicht
ganz bestimmte Empfindungen, wie Zahnschmerz, Magen¬
schmerz u. a. Zustände „in uns“ d. h. in unserem Leibe klar vor¬
liegen, immer als „außer uns“ gelegen zu denken. So geschieht
es denn, daß auch der Grund der Unklarheit der Stimmung
in dem Gegenständlichen „außer uns“, das wir wahr nehmen oder
vorstellen, mit anderen Worten, einzig und allein in dem, was
wir das „übrige“ Gegenständliche der Stimmung nennen, gesucht
wird. Man meint somit einer Stimmung „auf den Grund zu kom¬
men“, indem man besonders dem vorgestellten Gegenständ¬
lichen, das augenblicklich gegeben ist, näher ins Gesicht
schaut, und sucht ihn in der Ferne, ohne die Hauptsache, die
Körperempfindung, überhaupt nur mit zu berücksichtigen.
Wenn nun endlich Nahlowsky die Stimmung gegenüber dem
„Gefühl“ dadurch noch kennzeichnen will, daß in ihr „das
klare Bewußtsein der veranlassenden Ursache“ fehle,
so können wir, wie die bisherige Erörterung lehrt, ihm unter
der Voraussetzung zustimmen, daß er unter der „veranlassenden
Ursache“ der Stimmung eben das gesamte Gegenständliche des
Augenblicks meint. Versteht er aber unter der „veranlassenden
Ursache der Stimmung“ nicht dieses, sondern, wie Th. Ziegler,1)
das, was das Auftreten der ganzen Stimmung und im Be¬
sonderen das des Gegenständlichen in ihr zunächst „be¬
wirkt“ und nicht zu ihr selbst gehört, so gestehen wir, es
nicht begreifen zu können, wie das Fehlen des „klaren Be¬
wußtseins gerade dieser veranlassenden Ursache“ ein be¬
sonderes Kennzeichen der Stimmung sein solle. Das Fehlen
dieses „klaren Bewußtseins“ ist ja nicht weniger bei „Ge¬
fühlen“, als bei Stimmungen, festzustellen; auch bei „Ge¬
fühlen“ wissen wir vielfach nicht, „woher sie kommen“, und
„unbemerkt beschleichen auch sie uns oft“. Und andererseits,
J) a. a. O. S. 204.