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Zur Lehre vom Gemüt.
sein oder nicht, ein Unterscheidungszeichen der Stimmung
sein kann, denn wir kennen beides, sowohl die kurz als auch
die lang dauernde Stimmung.
Mit der Unterscheidung nach dem Grade des Zuständ-
lichen zur Bestimmung des angeblichen besonderen „Gefühls“,
als das man die Stimmung begreifen möchte, steht es nicht
weniger schlecht. Wenn man etwa, wie Nahlowsky es tut,
das Verhältnis von Stimmung und „Gefühl“ mit dem Ver¬
hältnis von „Gemeinempfindung“ und „Lokalempfindung“ ver¬
gleicht, so kann man wohl darauf verfallen, das „Gefühl“ für das
„Intensivere“ gegenüber der Stimmung auszugeben; indessen
auch dieses stimmt nicht mit den Tatsachen überein, und wir
sind um Fälle nicht verlegen, in denen die Stimmung einen
sehr starken Grad zeigt, man denke nur an die „ausgelassene“
oder an die „gedrückte“ Stimmung.
Uen Unterschied zwischen Stimmung und „Gefühl“ klar
zu zeichnen, versagen aber nicht nur diese zwei besonderen
Versuche, sondern auch andere, die von Nahlowsky,1) A. Leh¬
mann2) und Th. Ziegler3) angestellt worden sind. Da Lehmann
und Ziegler im Großen und Ganzen mit Nahlowsky überein¬
stimmen, so sei nur des Letzten Versuch hier eingehender
behandelt.
Nahlowsky setzt die Stimmung unserem „Gefühl“, das
er dann „das einzelne Sondergefühl“ nennt, gleichsam als
„Gemeingefühl“ gegenüber, was ihn eben auch zu der schon
erwähnten Analogie von „ Gemeinempfindung und Lokal¬
empfindung“ führt; er schreibt: „Unter Stimmung verstehen
wir jenen lediglich durch seinen Grundton charakterisierten
Kollektivzustand des Gemütes, welcher (in der Regel)
weder das Hervortreten bestimmter Sondergefühle noch
das klare Bewußtsein seiner veranlassenden Ursachen
gestattet“, „Stimmung ist ein dunkler Komplex vager
Einzelgefühle, in welchem das Spezifische der einzelnen
Regungen verwischt und nur ihr gemeinsamer Grundton
*) a. a. 0. S. 234 f.
2) a. a. 0. S. 60f.
*) a. a. 0. S. 204.