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Zur Lehre vom Gemüt.
Vorhandensein des bestimmten „Gefühls“ doch bestehen, weil
wir mit voller Berechtigung davon ausgehen können, solche
Leibesveränderungen seien beim Fehlen hemmender Umstände
tatsächlich die sicher eintretende Folge von „Gefühlen“ überhaupt.
Ganz anders stände freilich die Sache, wenn diejenigen
Recht hätten, nach denen die Leibesveränderungen nicht die
Wirkung, sondern vielmehr die wirkende Bedingung der „Ge¬
fühle“ sein sollen und sich damit in vollen Gegensatz zu der
hergebrachten Auffassung setzen. Nach dem Vorgänge des
Amerikaners W. James, der aber diesen Standpunkt allerdings
später wieder verlassen hat, ist besonders der Däne C. Lange
in seinem Buche „Über Gemütsbewegungen“ und dann auch
der Italiener G. Sergi in seinem Buche; „Principi di psicologia;
dolore e piacere“ mit der Behauptung hervorgetreten, daß
diese in Rede stehenden körperlichen Veränderungen nicht
die Wirkung, sondern die wirkende Bedingung bestimmter
„Gefühle“ seien. Diese Forscher haben in erster Linie den
Fehler begangen, daß sie zwischen den leiblichen Verände¬
rungen, welche die physische Bedingung der „begleitenden“
Körperempfindung im „Gefühle“ sind, und denjenigen leiblichen
Veränderungen nicht unterschieden, die unter dem Namen „Ge¬
fühlsäußerungen“ uns bekannt sind. Erst dieses Zusammen¬
werfen der zwei verschiedenen leiblichen Veränderungen hat es
ermöglicht, daß diese Psychologen sich in so auffallenden Gegen¬
satz zu der althergebrachten Auffassung, nach der die sogenann¬
ten Gefühlsäußerungen Wirkungen der „Gefühle“ sind, setzten.
Wir müssen freilich dem beipflichten, daß jene leibliche
Veränderung, die, wie wir wissen, die besondere wirkende Be¬
dingung der „begleitenden“ Körperempfindung im „Gefühle“
ist, mit Recht zu der wirkenden Bedingung dieses „Ge¬
fühls“ gerechnet werden darf. Sofern sich jene Psychologen
demnach gegen eine Meinung kehren, nach der die „beglei¬
tenden“ Körperempflndungen und das will selbstverständlich
auch sagen deren physische Bedingung (gewisse leibliche Ver¬
änderungen) die „Folgeerscheinung“ eines „Gefühls“, das
bloß aus „maßgebendem“ Gegenständlichen und aus Zuständ-
lichem gebildet wäre, sein sollte, so stehen wir ganz auf ihrer
Seite. Aber wir können diese Stellung doch nur so lange be¬