Zur Lehre vom Gemüt.
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einzelnen Gefühle „die Lust die Unlust überwiegt“, z. B., wie
sie meinen, in dem „Gefühl der Ehrfurcht oder der Erhabenheit“,
so haben wir hier ja handgreiflich Fälle vor uns, in denen
die Unlustvorstellung mit dem Unlustgefühl verwechselt
ist. Es findet sich in jedem Augenblicke, der jenes Gefühl
aufweist, das nach Lehmanns eigener Aussage den „Charakter
der Lust“ tragen soll, neben dem besonderen Zuständlichen,
dem einfachen Lustgefühl, immer zugleich auch eine Un¬
lustvorstellung als besonderes Gegenständliches in dem
betreffenden Seelenaugenblicke.
Auf die soeben gezeichnete doppelte Verwechselung
können wir in der Tat ohne Schwierigkeit alle Behauptung
von einem angeblich aus Lust und Unlust gemischten Ge¬
fühle zurückführen, und erfahrungsmäßig sicher gestellt zeigt
sich immer wieder nur der Satz, daß das Zuständliche
eines Seelenaugenblickes, das Gefühl, in jedem besonderen
Falle ein einfaches, und zwar entweder Lust oder Unlust
ist. Ebenso sicher aber steht auch der Satz, daß in jedem
Bewußtseinsaugenblicke Zuständliches und Gegenständliches
zusammen sich finden. Wovon aber die jedesmalige Be¬
sonderheit der zuständlichen Bestimmtheit, daß sie nämlich
das eine Mal Lust, das andere Mal Unlust ist, abhänge, das
haben wir nunmehr zu untersuchen.
Wir wiesen es allerdings schon früher ab, daß ein be¬
sonderes Gefühl, der sogenannte „Gefühiston“ an ein ein¬
zelnes besonderes Gegenständliches „gebunden“ sei, als ob
jedes Gegenständliche des Bewußtseins gleichsam „von Natur“
ein besonderes „Gefühl“ dem Bewußtsein mit zuführe. Wir
haben ferner betont, daß unter dem verschiedenen Gegenständ¬
lichen des Seelenaugenblickes eines für sich allein nicht auch
etwa schon die „besondere“ Bedingung des einen Zuständ¬
lichen dieses Augenblickes ausmache. Wir hoben endlich
auch hervor, daß die allgemeine Voraussetzung für das Ge¬
gebene, das wir als Lust und Unlust kennen, ein Bewußt¬
sein sei, als dessen zuständliche Bestimmtheitsbesonderheit
oder Gefühl jenes überhaupt nur sein Bestehen hat und be¬
griffen werden kann: wer also das Einzelwesen „Seele“
leugnet, verlegt sich damit unausweichlich den Weg zum Ver¬